The protracted crisis in the Donbas region of Ukraine is well into its sixth year. The contact line continues to separate Government controlled area (GCA) and Non-Government controlled area (NGCA) of Donetsk and Luhansk regions. This separation isolates much of the population in GCA from important services and livelihood providers in urban centres in NGCA. Along the 427-kilometre contact line, there are five open exit-entry checkpoints (EECP) in Hnutove, Novotroitske, Marinka, Maiorsk and Stanytsia Luhanska, where internally displaced and conflict-affected people cross to visit relatives, buy food and other goods, receive social payments and check on their property.

Since the opening of these EECPs, the number of people crossing the contact line continues to grow. Every month, there are about 1,3 million people recorded crossing through all five of the EECPs. Long queues and correspondingly, long waiting times at checkpoints continue to be reported. During their journey to cross the contact line, very often people face difficult weather conditions and slow processing times. These civilians who cross the contact line have limited access to basic services such as drinking water, latrines, weather shelters, heating, and medical care.

Photo: Dmytro Tielushkin/The Norwegian Refugee Council (NRC)
Ukraine

Sechs Fakten nach sechs Jahren Krise

Im April 2014 brach in der Ostukraine ein bewaffneter Konflikt aus. Seitdem wurde das Gebiet geteilt und eine ehemals integrierte Gemeinschaft ist nun durch eine 427 Kilometer lange Frontlinie, die sogenannte „Kontaktlinie“ getrennt. Sechs Jahre später wird die Ukraine nach wie vor von dem bewaffneten Konflikt im Osten erschüttert. Trotz diverser im Laufe der Jahre unternommener Versuche, der Gewalt ein Ende zu setzen, sind weiterhin 5,2 Millionen Menschen von der Krise betroffen.

Hier sind sechs wissenswerte Fakten über die Situation in der Ukraine:

1. Über 1,4 Millionen Menschen im ganzen Land sind registrierte Binnenflüchtlinge

Wenn eine Vertreibungskrise sechs Jahre andauert, sind die Aussichten für Vertriebene, in die lokalen Gemeinden integriert zu werden oder dauerhafte Lösungen zu erreichen, ungewiss. Da die Ressourcen bis ans Limit ausgelastet sind, werden viele vertriebene Familien immer noch diskriminiert und haben Schwierigkeiten, eine Unterkunft und Zugang zu Grundversorgungsleistungen zu bekommen sowie eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Zwölf Prozent der Binnenvertriebenen in der Ukraine haben seit ihrer Registrierung keine Sozialleistungen mehr erhalten.

Nadiia Parfemchuk, 54, and Heorhii Mironenko, 61 live in Kurakhove collective centre more than five years without bleak prospects to return home in Marinka, as it is destroyed and located in mine-contaminated area with everyday shelling. 
“We lived in a big fully refurbished house in Marinka and had everything what we needed for normal life. We have been living here since August 2014, it was impossible to stay home, as it became epicentre for hostilities. When our house was hit, we were in Kurakhove with my husband’s sister. Everything was burnt. Nothing remained there, we were trying to get our staff, but could not do it, because of active hostilities. We came here in what we were wearing. Local town residents and humanitarian organisations helped us a lot. My daughters live here in Kurakhove  one in collective centre, another one rents an apartment”, says Nadiia. 
Nadiia was working in the kindergarten,  however, she got under reduction and lost her job. She did not reach retirement age and barely makes the ends meet. Their house is destroyed, and they have to pay 2,000 hryvnias (nearly 70 US dollars) for utilities in cold season. It is very mouldy here. 
Heorhii started working recently, as they need to survive somehow. Most of humanitarian assistance is provided to pensioners over 65 years. Their house is in the red zone, they cannot even access it. Even military people do not walk there. Nadiia and Heorhii say that they would like to get house somewhere in the safe place. 
Photo: Dmytro Telushkin/the Norwegian Refugee Council
In der Sammelunterkunft für Binnenvertriebene in Kurakhove zeigen Nadiia, 54, und Heorhii, 61, Fotos von ihrem zerstörten Zuhause. Foto: Dmytro Tielushkin/NRC

2. Seit Beginn des Konflikts wurden mehr als 13.000 Menschen getötet, ein Viertel davon Zivilisten, und über 30.000 wurden verletzt (über 7.000 davon Zivilisten).

Die Kämpfe fordern von der Zivilbevölkerung einen hohen Tribut. Die unmittelbaren Folgen für die einfache Bevölkerung sind nach wie vor eine Herausforderung, da der tägliche Beschuss und die allgegenwärtige Gefahr durch Landminen und nicht explodierte Sprengkörper das körperliche und mentale Wohlbefinden beeinträchtigen.

Außerdem werden die kommunale Infrastruktur und zivile Einrichtungen angegriffen, wodurch Millionen Menschen Gefahr laufen, den Zugang zu Wasser, medizinischer Versorgung, Bildung und Heizung zu verlieren.

Neben Schulen, Krankenhäusern und Wasseranlagen wurden über 55.000 Wohngebäude auf beiden Seiten der „Kontaktlinie“ beschädigt oder zerstört.

Schätzungen zufolge sind innerhalb der 20 Kilometer auf beiden Seiten der „Kontaktlinie“ 2 Millionen Menschen von Minenkontamination betroffen. Dies bedeutet eine tödliche Gefahr und hindert die Menschen daran, auf ihren Farmen zu arbeiten oder Feuerholz zu sammeln. Seit 2014 wurden über 1.000 Todesopfer im Zusammenhang mit Minen und Sprengstoffen registriert.

Volodymyr and Anzhela Blyzniuk. They live in the contact line village of Zhovanka, Donetsk region. 
Their house was damaged due to the armed conflict. They dream about house renovation and the new life beginning.
They have managed to survive after three hours laying on the cold winter ground hiding from the long-lasting shelling. And they never forget that day, 9 January 2016. 
A shot-up car, dozens of bullets, that Volodymyr pulled out from his car, as well as shrapnel, which is never removed from Anzhela's shoulder, also a reminder of that day.


Photo: Natalia Patlatiuk/Norwegian Refugee Council
Volodymyr Blyzniuk, 52, aus dem an der Frontlinie gelegenen Dorf Zhovanka hat die Kugeln aufgehoben, die sein Auto beschädigt und seine Frau Anzhela verletzt haben. Foto: Natalia Patlatiuk/NRC

3. Jeden Monat überqueren eine Million Menschen die Kontaktlinie – trotz der tödlichen Gefahr durch Beschuss, Landminen und Sprengstoffe

Zivilistinnen und Zivilisten müssen die Kontaktlinie über einen der fünf Ein- und Ausreisekontrollpunkte überqueren, die die gesamte Region Donetsk und Luhansk bedienen. Sie überqueren die Linie, um ihre Familien zu besuchen, auf dem Markt einzukaufen, Dokumente zu beschaffen oder Zugang zu wichtigen staatlichen Dienstleistungen zu erhalten sowie um nach ihrem Eigentum zu schauen. Die meisten dieser Menschen sind über 60 Jahre alt und müssen diese Reise auf sich nehmen, um an ihre Pension zu kommen, da diese ihre einzige Einkommensquelle ist.

Die Menschen stehen an den Kontrollpunkten stundenlang Schlange, selbst im eiskalten Winter oder unter der sengenden Sonne im Sommer. Obwohl die Bedingungen hier bereits verbessert wurden, sind in den letzten zwei Jahren an den Kontrollpunkten über 90 Menschen aufgrund von gesundheitlichen Komplikationen gestorben. Trotz der erheblichen Bemühungen der Regierung und der humanitären Gemeinschaft fehlt es an den Kontrollpunkten nach wie vor an grundlegenden Dienstleistungen wie Hygieneeinrichtungen, Trinkwasser und Erster Hilfe.

Civilians have to cross the contact line through five entry-exit checkpoints serving entire the Donetsk and Luhansk regions. They cross to visit their families, go shopping at the market, obtain documents or access essential state service as well as to watch on their property on both sides. Most of those people are over 60 who travel to access their pension, which is the only source of income. People are queueing at the checkpoint for hours, either harsh winter conditions or scorching sun in summer. While there have been improvements in the crossing conditions over 90 people died due to health complications at the checkpoints during 2018-2019. Despite the considerable efforts made by the government and humanitarian community, checkpoints still lack basic services such as hygiene facilities, drinking water and first aid.
Photo: Dmytro Tielushkin/The Norwegian Refugee Council (NRC)
Der Kontrollpunkt Stanyzja Luhanska. Tausende Menschen überqueren jeden Tag die sogenannte „Kontaktlinie“, um Verwandte zu besuchen, Lebensmittel zu kaufen, ihre Rente und Sozialleistungen abzuholen oder nach ihrem Eigentum zu sehen. Foto: Dmytro Tielushkin/NRC

4. Über 530.000 Menschen sind von Ernährungsunsicherheit betroffen und etwa 480.000 brauchen Unterstützung für den Lebensunterhalt

Die langwierige Krise hat dazu geführt, dass die Mittel der Menschen nahezu erschöpft sind. Steigende Preise und die Abnahme der Industrieproduktion in Verbindung mit hoher Arbeitslosigkeit haben zur Folge, dass die Menschen Probleme haben, sich und ihre Familien zu versorgen. Die Menschen in der Ostukraine sind häufig zu unmöglichen Entscheidungen gezwungen – etwa, ob sie ihr Geld für Lebensmittel oder Medikamente ausgeben oder um ihre Kinder zur Schule zu schicken.

Die geschwächten sozialen Sicherungssysteme, der gestörte Zugang zu den Märkten und die Aussetzung von Sozialleistungen haben die am stärksten gefährdeten Menschen wie Ältere, Alleinerziehende und Menschen mit Behinderungen schwer getroffen.

Large family of Tetiana Asmanova and Kateryna Yakovenko. 
Nikita and Volodymyr, Olha and Natalia, Veronika and Vladyslav, Daniela and Mariia.
Photo: Violetta Shemet/The Norwegian Refugee Council (NRC)
Jeden Winter kämpft die 30-jährige Tetiana Asmanova, Vertriebene innerhalb der Ukraine, darum, dass ihre große Familie genug zu essen bekommt und es warm hat. Foto: Violetta Shemet/NRC

5. Zugang zu Rechten ist für die vom Konflikt betroffene Bevölkerung schwierig

Fast 700.000 Rentnerinnen und Rentner erhalten aufgrund der restriktiven Richtlinien, welche die Zahlung an die Pflicht zur Registrierung als Binnenflüchtling knüpfen, keine Rente.

Über 50 Prozent der nach 2014 geborenen Kinder aus den derzeit nicht unter Kontrolle der ukrainischen Behörden befindlichen Regionen Donetsk und Luhansk haben keine von der ukrainischen Regierung ausgestellte Geburtsurkunde erhalten. Das bedeutet, dass sie keinen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung haben und Gefahr laufen, staatenlos zu werden.

Auch eine offizielle Bestätigung von Todesfällen ist in diesen Regionen schwer zu erhalten, was wiederum zu Problemen in Zusammenhang mit Erbschafts- und Eigentumsrechten führt.

Oleksandra Belotserkovets, 86 years, from Marinka, lives alone in a small mouldy room in Kurakhove collective centre. Her home was destroyed, and humanitarian organisations still cannot assist her to rebuild her house, as it is in the red zone of contact line. Her husband died in 2010, two sons were killed - one in young age, second died as a result of shelling.
“On 11 of July my son Viktor called me, and suddenly I heard very loud sound of explosion, the lights went off. I was wandering what happened. My son cut off the phone and did not call me back. I was trying to reach him by landline and mobile phone. However, he did not answer. I had very bad feeling that something terrible happened. At night my daughter-in-law called me and told me to hide in the basement as a new shelling was about to start, when I asked her about my son, she bitterly cried and said that he was dead. My neighbour helped me to get to Viktor’s house and I saw him dead, I will never forget what I saw that day. We could hardly bury him, the shelling was very close”, recalls Oleksandra. 
Oleksandra’s house was burnt completely, 20 days after Viktor’s death. Her son’s wife Svitlana brought her to nearby, but safer town of Kurakhove. Oleksandra did not want to be a burden and odd for Svitlana and grandchildren. She went to local administration; they provided her with small room in the collective centre. 
Many times Oleksandra to local authorities with request to get accommodation, small house. She is worried that one day she will be evicted from the centre. As of now, her house cannot be restored, as it is in red zone. She is seeking assistance to receive small, but own house in safer place. 
Photo: Dmytro Telushkin/the Norwegian Refugee Council
Die 86-jährige Oleksandra Belotserkovets aus Marinka lebt allein in einem kleinen Zimmer in der Sammelunterkunft für Binnenflüchtlinge in Kurakhove. Foto: Dmytro Tielushkin/NRC

6. Die humanitäre Hilfe ist unterfinanziert

Trotz der immensen Auswirkungen der Krise wird die humanitäre Hilfe durch die fehlende Finanzierung behindert.
Die Möglichkeiten der humanitären Hilfsorganisationen, den Bedarf der betroffenen Bevölkerung zu decken, hängt von der Höhe der Finanzierung ab. Auf der von NRC Flüchtlingshilfe erstellten Liste der am meisten missachteten Vertreibungskrisen von 2019 belegte die Ukraine den fünften Platz. Im Jahr 2018 wurden nur 37 Prozent der für die humanitäre Hilfe benötigten Mittel bereitgestellt. Trotz eines leichten Anstiegs im Jahr 2019 ist die Finanzierung nach wie vor gering und schränkt die humanitäre Hilfe stark ein.

Die humanitäre Gemeinschaft erreicht aufgrund der begrenzten Mittel und des mangelnden Zugangs knapp über eine Million Menschen jährlich – nur die Hälfte aller Menschen in Not.

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NRC Flüchtlingshilfe ist seit 2014 in der gesamten Ukraine im Einsatz, um die konfliktbetroffenen Bevölkerung dabei zu unterstützen, ihre beschädigten oder zerstörten Häuser wiederaufzubauen und durch Unternehmenszuschüsse, Berufsbildungs- und Entwicklungsprojekte selbstständig zu werden. Darüber hinaus bieten wir Rechtsberatung an, um Vertriebenen und anderen Betroffenen zu helfen, ihre Rechte geltend zu machen.

Seit dem Beginn unserer Aktivitäten in der Ukraine haben wir es geschafft, über 159.000 Menschen zu unterstützen.

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