Die Menschen in Beirut brauchen dringend unsere Hilfe. Die verheerende Explosion kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, während der Libanon sowohl mit einer nie da gewesenen Wirtschaftskrise als auch mit Covid-19 zu kämpfen hat. Die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschossen und Dienstleistungen, einschließlich der Krankenhäuser, sind massiv überlastet. Die Explosion machte auf einen Schlag über 300.000 Menschen obdachlos.
Drei Menschen aus Beirut berichten uns, wie die Explosion ihr Leben erschüttert hat.
Vertrieben im eigenen Land – Fadia
Fadia Zaarour, 57, war mit sieben Familienmitgliedern zu Hause, als die Explosion sich ereignete.
„Ich kann das Geräusch, das wir hörten, gar nicht beschreiben – ich zittere jedes Mal aufs Neue, wenn ich mich an dieses grauenhafte Erlebnis erinnere. Es war so beängstigend, wir wurden durch den Raum geschleudert und überall war Rauch“, erinnert sich Fadia. „Meine 20-jährige Tochter versuchte, ihre Großmutter mit ihrem Körper abzuschirmen. Dabei wurde ihr Rücken schwer verletzt.“
Die Menschen von Beirut zeigen rührende Unterstützung. „Am nächsten Tag gingen wir zurück zum Haus. Mithilfe von freiwilligen Helfern konnten wir viel Schutt beseitigen und das Haus sauber machen.“
Die Explosion hat Fadias Töchter psychisch stark mitgenommen. In den Nächten danach weinten sie pausenlos.
„Ich sehe in diesem Land keine Zukunft. Ich wollte nie, dass meine Töchter reisen, aber nun ermutige ich sie, das Land zu verlassen und sich woanders ein besseres Leben aufzubauen. Wir wurden in unserem eigenen Land vertrieben“, sagt Fadia.
Alles zerstört, ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte – Toni
Toni Maalouf, 58, lebt im Viertel Karantina, nicht weit entfernt vom Hafen, wo die Explosion stattfand. Glücklicherweise war er nicht zu Hause, als es passierte.
„Als ich nach Hause kam, hatte ich durchaus mit Schäden gerechnet, aber nicht damit, dass der Kühlschrank auf der Waschmaschine liegen würde. Alles im Haus war zerstört und ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte; ich war so müde“, sagt Toni.
Vier Tage nach der Explosion erhielt Toni einen Anruf von einer Gruppe von 30 Freiwilligen, die vor seinem Haus standen. Sie waren bereit, ihm beim Wegräumen der Trümmer zu helfen.
„Wir werden niemals die Hoffnung verlieren, wir werden niemals aufgeben und wir werden immer Widerstand leisten“, sagt Toni abschließend.
Es war wie eine Atombombe – Movses
Movses, 62, war zu Hause, als die Explosion geschah. Er rannte sofort auf seinen Balkon, als er es hörte. Die Druckwelle schleuderte ihn, seine Frau und seine 20-jährige Tochter nach hinten. „Als wir wieder zu uns kamen, traute ich meinen Augen kaum. Alles war zerstört, es war wie eine Atombombe“, erklärt Movses.
„Ich habe keinen anderen Ort gefunden, an dem wir hätten bleiben können, also schlafen wir in unserem zerstörten Haus“, sagt er. Freiwillige halfen Movses, die Wohnung aufzuräumen und den Schaden zu begutachten, aber Movses hat das Gefühl, dass diese Hilfe leider nicht ausreicht.
„Es kamen viele Leute und versprachen uns Hilfe, aber ehrlich gesagt sehe ich den Sinn nicht so recht. Es ist hoffnungslos. Ich will dieses Land verlassen, es gibt hier keine Zukunft für uns.“
Movses hat am Kopf und am ganzen Körper Verletzungen erlitten. „Meine Verletzungen waren nicht so schmerzhaft wie der Anblick meiner blutüberströmten Tochter. Ich konnte mein eigenes Kind nicht beschützen“, schließt er.
NRC Flüchtlingshilfe ist in Beirut vor Ort und beurteilt den Schaden, stellt Notunterkünfte bereit und stellt den Menschen von Beirut Werkzeug zur Verfügung, um ihre Häuser wiederaufzubauen.