Ein Zuhause – fern der Heimat

Amina lebt seit vier Jahren unter einer Plastikplane

“Es ist sehr kalt, aber wir haben kein Geld für warme Kleidung. Und unsere Unterkunft hat keine Türen und Fenster“, sagt die siebenjährige Amina.

Sie wickelt das dünne Tuch enger um ihren kleinen Körper. Zwei nackte Füße ragen unter ihrem einfachen Baumwollkleid hervor. Das Zuhause, das sie beschreibt, besteht aus Plastikplanen als Dach, ein paar Decken als Wände und einer Plastikmatte, die den Erdboden bedeckt. So hat sie die Hälfte ihres bisherigen kurzen Lebens verbracht.

Familien, die in Großstädten Zuflucht gesucht haben, werden oft „die vergessenen Flüchtlinge“ genannt. Über die Hälfte aller Vertriebenen weltweit leben in städtischen Gebieten, wo sie darauf hoffen, besser geschützt zu sein und leichter eine bezahlte Arbeit zu finden. In Afghanistan leben mehr als 1,2 Millionen Vertriebene in solchen Siedlungen.

Gulla, 45, und ihre Kinder leben seit vier Jahren in diesem einfachen Zelt in einem der armen Distrikte Kabuls. Wenn es regnet, verwandelt sich das gesamte Gebiet in eine Schlammgrube. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

Vater verloren

„Für Millionen vertriebene Kinder und Erwachsene in Afghanistan und anderen Ländern ist es nicht selbstverständlich, ein sicheres Zuhause zu haben. Und dieses Jahr haben sie auch noch mit den Auswirkungen des Coronavirus zu kämpfen, das unter anderem zu geringerem Einkommen und explodierenden Lebensmittelpreisen geführt hat“, erklärt Astrid Sletten, die den Einsatz von NRC Flüchtlingshilfe in Afghanistan leitet.

Amina weiß nur zu gut, was es bedeutet, kein festes Dach über dem Kopf zu haben. Als ihr Vater durch eine Granate ums Leben kam, die vor vier Jahren ihr Grundstück traf, floh sie mit ihrer Mutter Gulla, 45, und ihren vier Geschwistern in einen der armen Vororte der Hauptstadt Kabul.

Gulla sorgt sich, wie die Kinder mit dem strengen Winter zurechtkommen werden. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

Die Kinder hungern

„Das wird unser vierter Winter hier“, sagt Gulla. „Die Kinder haben Hunger. Mit dem, was meine beiden Söhne verdienen, können wir uns kaum über Wasser halten.“

Sie fährt fort: „Jeden Morgen gehen sie auf die Straße, um Plastik und Metall zu sammeln, das sie verkaufen können. Sie verdienen rund einen Euro pro Tag, was gerade so reicht, damit wir zweimal täglich etwas essen können. Manchmal kommen sie mit Kartoffeln oder Gemüse nach Hause, das sie von Leuten auf dem Markt bekommen haben. Manchmal bringen sie sogar gekochten Reis oder Fleisch mit. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal ein richtiges Mittagessen hatten.“

Ich versuche, meine Kinder zu trösten und sage ihnen, dass das alles nur vorübergehend ist, dass alles wieder gut wird.
Gulla, 45
Amina, 7, und ihre Geschwister haben weder Schuhe noch warme Winterkleidung. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

Keine Schule

Keins der Kinder besucht eine Schule. Gulla erklärt: „Das Geld, das meine Söhne verdienen, reicht kaum fürs Essen. Ich kann es mir nicht leisten, die Kinder zur Schule zu schicken.“

Die Familie besitzt eine einzelne Glühbirne, die ihre einzige Lichtquelle ist. Diese ist an den Strom des Nachbarn angeschlossen und Gulla zahlt dafür. Wenn es regnet, sickert das Wasser ins Zelt und die Kälte und der Schnee machen es unmöglich, es im Inneren warmzuhalten. Der Winter in Afghanistan kann ebenso kalt sein wie in Skandinavien.

„Ich versuche, meine Kinder zu trösten und sage ihnen, dass das alles nur vorübergehend ist, dass alles wieder gut wird“, sagt Gulla.

Astrid Sletten, die unseren Einsatz in Afghanistan leitet, spricht mit den Familien in einer der armen Siedlungen rund um Kabul. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

Hilfe, die Leben rettet

„Im letzten Jahr erhielten wir mehrere Berichte, dass Kinder an Unterkühlung und Lungenentzündungen gestorben sind“, sagt Astrid Sletten. „Nun kämpfen unsere Kolleginnen und Kollegen gegen die Zeit, um so viele Familien wie möglich mit einem richtigen Dach über dem Kopf zu versorgen, bevor der Winter mit voller Wucht zuschlägt.“

“Gulla und ihre Kinder befürchteten, einen weiteren kalten Winter im Zelt verbringen zu müssen. Nun gehören sie zu den Familien, die Unterstützung erhalten“, fährt sie fort, und erklärt, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen 1.500 der am stärksten gefährdeten Familien in Kabul mit geeigneten Unterkünften und warmer Kleidung versorgen werden.

Lesen Sie hier, wie unsere Geschenke aus dem Gutes-Tun-Webshop einen Unterschied machen.

Letztes Jahr sorgten wir dafür, dass über 77.000 Vertriebene in Afghanistan ein Dach über dem Kopf bekamen.

Lesen Sie hier, wie wir Ana und ihrer Familie im letzten Winter halfen, ein neues Zuhause zu bekommen.