Wir treffen Faduma in Goomir, einem Lager für Binnenvertriebene, außerhalb der Stadt Baidoa im Süden Somalias. Faduma hat ihr Haus aus Ästen und Stofffetzen gebaut. Auf ihrem Schoß sitzt ihre jüngste Tochter, die zweijährige Ikhalas. An einem Fuß hat sie eine schlimme Verbrennung, die sie erlitt, als ins Feuer trat, während Faduma kochte. Faduma behandelt die Wunde mit Kräutern, da sie sich keinen Arztbesuch leisten kann.
Vor vier Jahren wurden Fadumas Vater von bewaffneten Gruppen erschossen. Im folgenden Jahr wurde ihr Ehemann ebenfalls versehentlich von bewaffneten Gruppen getötet, als er seine Tiere hütete. Zu diesem Zeitpunkt war Faduma mit Ikhalas schwanger.
Wiederkehrende Dürren
Da Fadumas Familie kein Land besaß, arbeitete sie für andere Bauern, um ihre sechs Kinder zu ernähren. Sie hatte eine Ziegenherde, die ein wertvolles Gut war und der Familie Zugang zu Nahrungsmitteln ermöglichte.
Im Jahr 2017 wurde Somalia von einer schweren Dürre heimgesucht. Wie Millionen andere verlor Faduma einen großen Teil ihrer Tiere und nur vier Ziegen überlebten. Als ihr Sohn schwer erkrankte, musste Faduma die verbliebenen Ziegen verkaufen, um die Medikamente bezahlen zu können.
Der Klimawandel hat am Horn von Afrika in den letzten Jahren zu häufigeren und längeren Dürreperioden geführt. 2019 begann mit wenig Regen und vielen zerstörten Ernten. Als es nicht mehr möglich war, das Land zu bewirtschaften, konnte Faduma ihre Familie nicht mehr ernähren und sah sich gezwungen, mit den Kindern nach Baidoa zu gehen.
Somalia ist für humanitäre Hilfskräfte ein gefährliches und forderndes Land. Faduma lebte in einer der vielen Regionen, in denen der Konflikt es NRC Flüchtlingshilfe und anderen Hilfsorganisationen unmöglich macht, Nothilfe zu leisten. Aus diesem Grund gehen viele Menschen in Gebiete, die näher an den Städten liegen, um dort Unterstützung zu bekommen.
Viele ungedeckte Bedürfnisse
Im Jahr 2019 wurden 188.000 Menschen durch den Konflikt aus ihrer Heimat vertrieben, während 479.000 infolge von Katastrophen wie Dürren und Überschwemmungen fliehen mussten, so ein Bericht des Internal Displacement Monitoring Centre.
Südwestsomalia zählt zu den Regionen, die für Klimaschocks besonders anfällig sind. Baidoa ist das zweitgrößte Zentrum von Siedlungen für Binnenflüchtlinge im Land. Im April 2020 lebten in der Stadt 330.000 Vertriebene auf 483 Siedlungen verteilt. Viele sind aufgrund der Auswirkungen der wiederkehrenden Dürre und des Konflikts hierhergekommen. Mit dem Einsetzen der in Somalia „Gu“ genannten Regenzeit im April 2020 waren über 80.000 Menschen von Überschwemmungen betroffen und wurden innerhalb von Baidoa vertrieben. Der humanitäre Bedarf ist enorm und die Hilfsorganisationen versuchen, mit den begrenzten zur Verfügung stehenden Mitteln so viele Menschen wie möglich zu unterstützen.
NRC Flüchtlingshilfe liefert in das Lager, in dem Faduma lebt, sauberes Wasser. In anderen Lagern hat NRC Flüchtlingshilfe finanzielle Unterstützung geleistet, damit die Neuankömmlinge dort Unterkünfte bauen, Lebensmittel kaufen oder auf andere Weise ihren Grundbedarf decken konnten. Leider werden die Mittel aufgrund der großen Anzahl von Binnenflüchtlingen, die jede Woche in Baidoa ankommen, immer knapper, und das Geld reicht nicht, um den Bedarf aller zu decken.
Ihre Kinder sollen in Sicherheit sein
Faduma sagt, sie habe Schwierigkeiten, genug zu essen für ihre Kinder bereitzustellen, insbesondere da sie keinen Ehemann mehr habe.
„Wir haben viele Probleme und keine Familie, die uns unterstützen könnte. Gestern Abend haben wir etwas zu essen von jemandem bekommen, der auch hier im Lager lebt, aber heute haben meine Kinder noch nichts gegessen. Ich hatte nichts zum Kochen“, sagt sie.
Dennoch bereut Faduma ihre Entscheidung nicht. Sie will nicht, dass ihre Kinder mit derselben Gewalt und demselben Konflikt aufwachsen müssen, die sie selbst viele Jahre ertragen musste.
„In Somalia haben wir ein Sprichwort: ‚Eine Schlange passt sich an ihre Umgebung an.’ Kinder sind sehr anpassungsfähig. Ich möchte, dass meine Kinder zur Schule gehen und die Chance haben, ein anderes Leben zu führen, als ich es hatte. Aus diesem Grund sind wir hierher gekommen“, sagt sie.
Stark vom Klimawandel betroffen
Somalia ist ein Land von der Größe Frankreichs und besitzt die längste Küste auf dem afrikanischen Festland (3.333 km). Dadurch ist das Land mehrfachen, wiederkehrenden und manchmal gleichzeitigen Klimaschocks ausgesetzt. Seit Ende April 2020 sind Teile des Landes von heftigen Regenfällen und schweren Überschwemmungen betroffen, die mindestens acht Todesopfer gefordert, Infrastruktur und Häuser zerstört und Tausende Menschen vertrieben haben – und das in einer Zeit, in der sie dringender denn je Stabilität und Zugang zu sicheren Unterkünften und sauberem Wasser benötigen.
Am 2. Mai 2020 gab es in Somalia 671 bestätigte Fälle von Coronavirus-Infektionen, doppelt so viele wie in der Vorwoche. Man nimmt an, dass es im ganzen Land viele unbestätigte Fälle und auch Todesopfer gibt. Vor diesem Hintergrund kämpfen Millionen Menschen in Somalia mit den Folgen der wiederkehrenden Dürre. Viele wurden dadurch vertrieben und viele werden auch während der derzeitigen Krise weiterhin Vertriebene bleiben.