Afghanistan

"Ich habe Hunger"

Karima und ihre Familie flohen vor drei Monaten vor dem gewalttätigen Krieg. Nun sind sie vom Hungertod und tödlicher Kälte bedroht. NRC Flüchtlingshilfe plant, die lebensrettende humanitäre Hilfe in Afghanistan aufzustocken.

„Ich habe Hunger. Ich hatte heute kein Frühstück. Wenn wir Glück haben, gibt es vielleicht etwas zum Abendessen. Wir hatten schon lange keine normale Mahlzeit mehr“, sagt Karima. Sie gehört zu der halben Million afghanischer Flüchtlinge, die seit Anfang des Jahres aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Kriegshandlungen, anhaltende Dürre, die Coronavirus-Pandemie und die chaotische Situation nach der Machtübernahme durch die Taliban haben die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lassen. Ein Drittel der Bevölkerung weiß nicht, ob sie in den kommenden Monaten genug zu essen haben werden.

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Vor drei Monaten musste die zehnköpfige Familie ihren gesamten Besitz zurücklassen, um in die Hauptstadt Kabul zu fliehen. Hier ließen sie sich zusammen mit 41 weiteren vertriebenen Familien auf einem winzigen Grundstück nieder.

KABUL: 42 vertriebene Familien haben sich auf diesem Grundstück in Kabul niedergelassen. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

Großes Leid

„Unser Haus wurde bombardiert und es gibt nichts, wohin wir zurückkehren könnten. Wir sind obdachlos“, sagt Karima.

Die 42 Familien haben Planen aufgespannt, um sich vor der Witterung zu schützen. Wasser holen sie von einer Wasserstelle an der Straße. Ihr Trinkwasser und das wenige, das sie zu essen haben, bekommen sie von großzügigen Nachbarn oder von dem, was sie als Gelegenheitsarbeiter verdienen können. Keins der Kinder besucht eine Schule.

Die sanitären Bedingungen sind katastrophal. Die 42 Familien, darunter viele kleine Kinder, teilen sich zwei Latrinen. Viele der Kinder sind krank und brauchen medizinische Hilfe, aber die Eltern haben kein Geld für Medikamente oder ärztliche Versorgung.

JAN EGELAND: Jan Egeland, Generalsekretär von NRC Flüchtlingshilfe, spricht mit Frauen, die mit ihren Familien durch den bewaffneten Konflikt in der Provinz Helmand vertrieben wurden und in den Außenbezirken von Kabul Zuflucht gesucht haben. Sie sind besorgt darüber, dass die meisten Hilfsorganistionen und Einrichtungen, die die Grundversorgung gesichert haben, seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 noch nicht zurückgekehrt sind. Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und können den Grundbedarf ihrer Familien nicht decken. Foto: Will Carter/NRC Flüchtlingshilfe

Alarm schlagen

„Die Wirtschaft Afghanistans gerät außer Kontrolle. Das formale Bankensystem könnte durch den Mangel an Bargeld jeden Tag zusammenbrechen. Ich habe mit Familien gesprochen, die von Tee und etwas altem Brot leben“, sagt Jan Egeland, Generalsekretär von NRC Flüchtlingshilfe, der Afghanistan derzeit besucht.

„Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit. Wir müssen Leben retten, bevor der harte Winter einsetzt und die Temperaturen auf bis zu -20 Grad Celsius fallen. Hunderttausende Vertriebene brauchen in den kommenden Wochen dringend Unterkünfte, warme Kleidung und Lebensmittel. Schon jetzt weiß einer von drei Menschen nicht, woher er seine nächste Mahlzeit nehmen soll.“

HILFE DRINGEND BENÖTIGT: Astrid Sletten von NRC Flüchtlingshilfe (Mitte) hört sich die Geschichten der Familien an und ermittelt, wo Hilfe benötigt wird. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

“Das afghanische Volk braucht uns“

Astrid Sletten, die den Einsatz von NRC Flüchtlingshilfe im Land leitet, schlägt Alarm: „Ohne Hilfe werden sehr viele Menschen erfrieren und verhungern“, warnt sie.

„Die Menschen in Afghanistan brauchen uns mehr denn je. Viele haben in größeren Städten Zuflucht gesucht. Tausende leben derzeit in Zelten, unter Planen oder einfach unter freiem Himmel in den öffentlichen Parks von Kabul. Ich habe Karima und mehrere der anderen Familien getroffen und sie werden ohne Hilfe nicht lange überleben“, erklärt Sletten, die seit vielen Jahren in Afghanistan im Einsatz ist.

DIE KINDER LEIDEN: Unter den 42 Familien, die sich auf einem kleinen Grundstück in Kabul niedergelassen haben, sind viele Kinder. Sie teilen sich zwei Latrinen und viele Kinder sind krank. Foto: Enayatullah Azad/NRC Flüchtlingshilfe

„Wir wollen die Nothilfe aufstocken“

Während des Machtwechsels im Land war NRC Flüchtlingshilfe vorübergehend gezwungen, Teile der humanitären Hilfe einzustellen.

„Wir arbeiten nun unter Hochdruck daran, unsere Hilfsmaßnahmen wieder aufzunehmen und zu verstärken. Besonders wichtig ist es, dass wir uns um die Kinder kümmern und sie wieder zur Schule gehen können. Zusätzlich leisten wir Lebensmittelhilfe und sorgen dafür, dass mehr Familien zügig ein Dach über dem Kopf bekommen“, sagt Sletten, die sich wegen des bevorstehenden Winters sorgt.

NRC Flüchtlingshilfe plant, die Nothilfe zu verstärken und 250.000 Menschen lebensrettende Hilfe zu leisten.

„Das entspricht der Einwohnerzahl einer Großstadt. Wenn wir mehr Geld bekommen und unsere Mitarbeitenden ihren Job machen können, werden wir es schaffen, den Menschen in Not zu helfen“, versichert sie.

 

WIR RETTEN LEBEN, INDEM WIR:

  • Warme Kleidung und Decken bereitstellen
  • Notunterkünfte bauen
  • Notunterkünfte für den Winter isolieren
  • Brennmaterial und Heizgeräte zur Verfügung stellen
  • Lebensmittel oder Bargeld für den Kauf von Lebensmitteln verteilen
  • Sauberes Wasser bereitstellen
  • Toiletten bauen
  • Seife und Hygieneartikel verteilen

Unterstützen Sie unsere Arbeit, um Leben zu retten!

NRC Flüchtlingshilfe ist seit 2003 in Afghanistan im Einsatz. Wir haben 1.600 afghanische Mitarbeitende und sind in 14 Provinzen im ganzen Land tätig. Im vergangenen Jahr erreichten wir 762.076 Menschen mit lebensrettender Hilfe. Lesen Sie hier mehr über unsere Arbeit in Afghanistan.