Es ist Sommer. Jeden Morgen steht Ala früh auf und durchquert in der drückenden Wüstenhitze das Zaatari-Flüchtlingslager in Jordanien. Das Lager ist mittlerweile eine ausgedehnte städtische Siedlung, in der derzeit rund 76.000 syrische Geflüchtete leben. Um 8:30 Uhr kommt sie an ihrem Arbeitsplatz an. Der einstündige Fußmarsch ist es wert.
„Diese Chance, die NRC Flüchtlingshilfe mir gegeben hat, ermöglicht mir finanzielle Unabhängigkeit und die Möglichkeit, im Leben erfolgreich zu sein“, sagt sie mit einem entschlossenen Lächeln.
Eine beängstigende Reise
Ala stammt aus Syrien. Ihre Familie war im Jahr 2012 zur Flucht gezwungen, als es infolge des Krieges zu gefährlich wurde, um dort zu bleiben.
Die Reise nach Jordanien war beängstigend. Ala war zu diesem Zeitpunkt erst 13 Jahre alt.
„Wir gingen abends um 10 Uhr zu Fuß los und kamen um 6 Uhr am nächsten Morgen an der jordanischen Grenze an“, erinnert sie sich. „Wir waren nachts unterwegs, weil wir Angst hatten, auf dem Weg angegriffen zu werden. Wir waren ungefähr 100 und viele Leute wurden verletzt.“
Ich fühlte mich wie eine Ertrinkende, die gerettet wurde.Ala
„Als wir an der Grenze ankamen, wurden wir von der [jordanischen] Armee empfangen. Ich fühlte mich wie eine Ertrinkende, die gerettet wurde. Während der gesamten Reise hatte ich vor Angst unter Strom gestanden, und jetzt waren da Soldaten, die mir sagten, ich sei nun in Sicherheit. Das war alles so überwältigend.“
Erwachsen werden in einem Flüchtlingslager
Vertriebene Jugendliche haben es schwerer als andere, eine Ausbildung zu bekommen. Nur drei Prozent aller Flüchtlinge weltweit besuchen die Universität oder erhalten eine andere höhere Ausbildung.
Für humanitäre Organisationen wie NRC Flüchtlingshilfe ist es besonders wichtig, in Bildung und Möglichkeiten für vertriebene Jugendliche zu investieren. Ohne diese Chancen können junge Menschen leicht ihr Selbstwertgefühl und die Hoffnung für die Zukunft verlieren.
Für Ala bot sich die Gelegenheit, Nähen zu lernen.
„Ich erfuhr vom Jugendprogramm von NRC Flüchtlingshilfe, nachdem ich ein viermonatiges Nähstipendium bei einer anderen Organisation absolviert hatte“, sagt Ala. „Nähen wurde meine Leidenschaft und ich wollte meine Ausbildung fortsetzen.“
Das Programm hat drei Stufen. In den ersten zwei Stufen liegt der Schwerpunkt auf der Ausbildung, während die dritte Phase aus einem Praktikum besteht.
„Das Programm bei NRC Flüchtlingshilfe schien perfekt zu sein. Als ich anfing, wurde mir klar, wie viel ich noch zu lernen hatte. Es war sehr anstrengend, aber es hat sich gelohnt.“
Ala arbeitet nun als Näherin im Jugendzentrum von NRC Flüchtlingshilfe. Das Zentrum finanziert sich selbst und alle Gewinne werden reinvestiert, um weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche zu schaffen. Das Zentrum bietet unter anderem auch Schreiner- und Schweißerkurse an.
Unabhängigkeit
Als wir Ala fragen, was ihre Arbeit ihr bedeutet, sagt sie: „Diese Chance, die NRC Flüchtlingshilfe mir gegeben hat, hat mich finanziell unabhängig gemacht. Mein Vater ist so stolz auf mich und das ist mir sehr wichtig.“
Mit dem Geld, das sie verdient, kann Ala auch ihre zehn Geschwister unterstützen.
„Ich bin die Älteste, daher fühle ich mich für sie verantwortlich. Ich habe mich auch während der Corona-Krise um sie gekümmert“, sagt sie stolz.
Während viele vertriebene Jugendliche die Hoffnung verlieren, ist Ala voller Ehrgeiz und Optimismus für die Zukunft.
„Ich möchte einmal selbst ein Nähzentrum für Frauen eröffnen, das zuverlässig und qualitativ hochwertig ist, genau wie NRC Flüchtlingshilfe“, sagt sie abschließend.