Yousef Sarhan ist zehn Jahre alt. Er ist aus Syrien geflüchtet und lebt mit seiner Familie in Beirut. Zum Zeitpunkt der Explosion war die Familie zu Hause.
„Meine Mutter saß draußen. Mein Vater schlief“, berichtet Yousef. „Mein Bruder und ich waren auf dem Bett, als wir die Explosion hörten. Wir rannten nach draußen und legten uns auf den Boden. Ich hatte furchtbare Angst.“
Emotionale Unterstützung
Yousef gehört zu den Hunderten Kindern, die an den von NRC Flüchtlingshilfe angebotenen Kursen für psychosoziale Betreuung teilnehmen. Diese Kurse wurden im August vergangenen Jahres als Reaktion auf die Explosion eingerichtet.
Für Kinder wie Yousef, die nahe am Zentrum der Explosion leben, sind die Nachwirkungen deutlich spürbar. Manche Kinder haben Albträume und Schlafstörungen. Manche sind sehr angespannt und haben Angst vor einer weiteren Explosion.
Kinder haben oft Schwierigkeiten, Gefühle so zu verarbeiten und zu verstehen wie Erwachsene es tun. Durch kindgerechte Aktivitäten haben unsere Kurse den Kindern von Beirut geholfen, ihre Gefühle und Ängste besser zu begreifen.
Emotionen verstehen lernen
Chadi Zein gehört zu unserem Team für emotionale Betreuung im NRC Flüchtlingshilfe-Bildungszentrum in Beirut. Chadi begrüßt die Kinder zu ihren zweiwöchentlichen Sitzungen mit herzlichem Enthusiasmus. Wenn die Kinder ankommen, werden sie zunächst gebeten, auf einer Skala anzugeben, wie sie sich gerade fühlen: von sehr glücklich bis sehr traurig oder wütend.
Solche Übungen helfen den Kindern, ihre Emotionen zu verstehen und zu verarbeiten, sagt Chadi.
„Bevor sie zu uns ins Bildungszentrum kommen, wissen die Kinder ihre Gefühle nicht einzuordnen. Sie können in einem bestimmten Zustand leben, aber sie sind nicht in der Lage zu verstehen, was sie fühlen“, erklärt er.
„Aber hier im Zentrum lernen sie, dass diese Gefühle normal sind. Manchmal können Ereignisse Stress auslösen. Die Kinder lernen, was sie tun können, um diesen Stress zu lindern, damit diese Ereignisse sie nicht aus der Bahn werfen. Ab einem bestimmten Punkt beginnt es, ihr Leben zu verändern.“
Die Kinder lernen, diese Bewältigungsstrategien im Alltag anzuwenden, damit sie mit stressigen Situationen umgehen können und in der Schule leistungsfähig sind.
„Die Kinder sprechen wunderbar darauf an. Jedes Kind in seinem eigenen Tempo und Rhythmus“, sagt Chadi.
„Die Wirkung für die Kinder ist positiv und gewinnbringend. Sie bekommen Werkzeuge an die Hand, um besser mit Konfliktsituationen zurechtzukommen. Um mit Wut, Angst und sprunghaften Gedanken umgehen zu lernen.“
Diese Kurse sollten überall stattfinden
Die Kurse werden für Kinder zwischen 4 und 14 Jahren angeboten. Das Gebiet, das am stärksten von der Explosion betroffen war, ist multikulturell. Bisher haben libanesische, syrische, irakische, sudanesische, palästinensische und philippinische Kinder unsere Kurse besucht. Die Eltern werden ermutigt, ihre Kinder für das Programm anzumelden, wenn sie das Gefühl haben, dass es ihnen helfen könnte.
„Eltern sagen zu mir: ‚Was machen Sie mit den Kindern? Sie sind wie verwandelt!’ Sie spüren, wie ihre Kinder sich entwickeln“, sagt Chadi stolz.
Für viele syrische Flüchtlingskinder hat die Explosion traumatische Erinnerungen an die Zeit ihrer Flucht geweckt. Darüber hinaus leiden die Kinder im Libanon (wie überall auf der Welt) an der durch die Covid-19-Pandemie verursachten Beeinträchtigungen ihres Alltags.
Chadi glaubt, dass es von unschätzbarem Wert ist, dass Kinder von klein auf lernen, mit unvorhergesehenen und traumatischen Ereignissen umzugehen.
„Diese Aktivitäten gehören zu den wichtigsten Dingen, die ein Kind lernen kann, nicht nur in schwierigen Zeiten. Solche Kurse sollten in jeder Schule rund um den Globus stattfinden. Das würde dazu beitragen, Frieden in der Welt zu schaffen.“
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Unsere Reaktion auf die Explosion in Beirut wurde durch die großzügige Unterstützung durch Menschen wie Sie möglich gemacht, die unserem Spendenaufruf Folge geleistet haben. Außerdem danken wir dem Norwegischen Außenministerium, dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und dem Europäischen Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz für ihre Unterstützung.