Bildungskrise:
10 Gründe, warum wir in Bildung für vertriebene Kinder investieren müssen


Die mangelnde Unterstützung des Bildungssektors hat dazu geführt, dass wir eine ganze Generation vertriebener Kinder verlieren. Wenn Sie jedoch bereit sind, mehr in Bildung und unsere gemeinsame Zukunft zu investieren, ist es noch nicht zu spät. Es ist dringend. Wir können es uns nicht leisten, nicht zu helfen.
Bereits bevor die Coronavirus-Krise zur Schließung zahlloser Schulen führte, mussten über 127 Millionen Kinder und Jugendliche in Kriegs- und Krisengebieten auf der ganzen Welt die Schule abbrechen.
Ganz am Ende der Schlange in Sachen Bildung stehen Kinder, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Ohne Ausbildung sind sie vielen Gefahren ausgesetzt. Das Leben ist auf Eis gelegt und sie sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.
„Wenn wir diese Kinder im Stich lassen, wird das katastrophale Folgen haben“, sagt Annelies Ollieuz, die bei NRC Flüchtlingshilfe den Bereich Bildung leitet.
„Viele Kinder sind in Gefahr, als Kindersoldaten rekrutiert zu werden, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, oder als Kinderarbeiter oder Kinderbräute zu enden. Nicht zuletzt berauben wir sie der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“

LIBERIA: Während der Ebola-Epidemie von 2014/15 wurden die Schulen für sieben Monate geschlossen. Hier spricht Annelies Ollieuz vor der Wiedereröffnung der Schulen in der Hauptstadt Monrovia mit Lehrkräften und Schulpersonal. Foto: Eirik Christophersen/NRC Flüchtlingshilfe
LIBERIA: Während der Ebola-Epidemie von 2014/15 wurden die Schulen für sieben Monate geschlossen. Hier spricht Annelies Ollieuz vor der Wiedereröffnung der Schulen in der Hauptstadt Monrovia mit Lehrkräften und Schulpersonal. Foto: Eirik Christophersen/NRC Flüchtlingshilfe
Sie weist darauf hin, dass Kinder nicht nur die Möglichkeit verlieren, lesen und schreiben zu lernen, sondern auch Fähigkeiten zu erwerben, die ihr Selbstvertrauen stärken und sie befähigen, sich selbst zu versorgen und sich um ihre Familie, die Gemeinde, die Natur und die Umwelt zu kümmern.
Zudem sind Schulen Orte, an denen Kindern, die in Kriegs- und Krisengebieten leben, die Möglichkeit haben, Stress zu bewältigen und Traumata zu verarbeiten.
Ollieuz ist der Ansicht, dass wir es uns nicht leisten können, diese Generation von Kindern weiter zu vernachlässigen und gleichzeitig zu erwarten, dass sie dabei helfen, ihre vom Krieg zerstörten Länder wiederaufzubauen und stabile und friedliche Gesellschaften zu bilden.
„Und, je länger die Kinder nicht zur Schule gehen, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie nicht mehr zurückgehen“, warnt sie.
Hier sind zehn Gründe, warum wir mehr in die Bildung vertriebener Kinder investieren müssen:
1. Kinder sind anfällig für Missbrauch


Vertriebene Kinder sind sehr anfällig für Missbrauch. Viele werden Opfer von Menschenhandel und sexuellen Übergriffen, Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen und Ausbeutung durch kriminelle Banden.
Wenn Kinder zur Schule gehen, sind sie weniger gefährdet.
Bildung ist ein Menschenrecht
Das Recht auf Bildung ist in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 verankert. Diese Erklärung fordert eine kostenlose und obligatorische Grundschulbildung.
In der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 heißt es, dass die Länder den Zugang zu Hochschulen für alle ermöglichen sollten.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir mehr vertriebene Familien finanziell unterstützen und ihnen helfen, ihre Miete zu zahlen, damit sie es sich leisten können, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Wir sorgen außerdem für die Schulbildung der Kinder selbst.
2. Schulen werden angegriffen


Gewalttaten und Krieg führen dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken und lieber zu Hause behalten. Immer häufiger werden Schulen zu militärischen Zwecken missbraucht oder werden im Krieg militärische Ziele.
Das umfasst unmittelbare Angriffe auf Schulgebäude, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte, die militärische Nutzung von Schulgebäuden, Militärrekrutierungen an Schulen und auf dem Schulweg sowie sexuelle Übergriffe durch Soldaten und Rebellen.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir Schulen renovieren und neue Schulgebäude bauen. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, sichere Lernumgebungen zu schaffen, Angriffe auf Schulen zu verhindern und die Schulen davor zu schützen, für militärische Zwecke benutzt zu werden.
3. Mädchen sind besonders betroffen


Auf dem Pult liegen ein Blumenstrauß und eine Schultasche. Das Pult gehörte einem der Opfer des Angriffs auf eine Mädchenschule in Kabul, der sich im Mai dieses Jahres ereignete. Mindestens 80 Menschen kamen bei diesem Angriff ums Leben. Die meisten waren Schülerinnen zwischen 11 und 15, die an diesem Tag schon fast auf dem Heimweg waren.
Bildung für Mädchen ist in manchen Ländern ein brisantes soziales und politisches Thema. Angriffe auf Mädchenschulen, Mädchen und Lehrerinnen sowie Entführungen nehmen zu. Das Ergebnis ist, dass viele Mädchen gar nicht erst eine Schule besuchen.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir sicherstellen, dass mehr Eltern ihre Töchter zur Schule schicken. Wir helfen den Gemeinden vor Ort und den Behörden, Bildung für Mädchen zu priorisieren und Schulen sowohl für Mädchen als auch für Jungen zu einem sicheren Ort zu machen.
Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, Ziel 4:
Im Jahr 2015 verabschiedeten die UN-Mitgliedsstaaten 17 Ziele für eine nachhaltige Zukunft. Hochwertige Bildung ist eins dieser Ziele. Ziel Nr. 4 lautet: „Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern.“
Eine gute Ausbildung ist die Grundlage für ein besseres Leben. Mädchen und Jungen sollten gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung haben und sie sollte kostenlos sein.
4. Kinder haben mit Kriegstraumata zu kämpfen


Schulen ermöglichen vertriebenen Kindern und Jugendlichen Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen wie medizinischer Versorgung und psychosozialer Unterstützung. Manche Kinder leiden infolge ihrer Kriegserfahrungen und einer dramatischen Flucht unter Traumata und Albträumen. Schulen sind daher eine wichtige Anlaufstelle für Kinder, um Hilfe zu bekommen.
Was Sie tun können:
Mit ihrer Hilfe können wir Lehrkräfte schulen, eigene Klassenräume bauen, Eltern unterstützen und den Kindern zeigen, wie sie mit mentalem Stress umgehen und sich sicher fühlen können.
5. Mädchen werden sehr jung verheiratet


Wenn Familien ihr Zuhause verlassen müssen, können Eltern dazu gezwungen sein, ihre Töchter sehr jung zu verheiraten. Die Gründe sind häufig die schlechte finanzielle Situation der Familie und die Überzeugung der Eltern, dass die Heirat ihren Töchtern mehr Schutz bietet.
Die Folgen können katastrophal sein. Mädchen laufen Gefahr, sehr jung schwanger zu werden, was zu Komplikationen führen kann. Manche Mädchen werden Opfer von häuslicher Gewalt und viele gehen nicht mehr zur Schule und haben damit kaum noch die Möglichkeit, einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen.
Zudem vereinsamen diese Mädchen häufig und verlieren den Kontakt zu Gleichaltrigen.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir dafür sorgen, dass mehr vertriebene Familien sich selbst versorgen können und ihre Töchter zur Schule schicken, anstatt sie viel zu jung zu verheiraten.
Außerdem bieten wir Unterricht speziell für Mädchen an und haben uns das Ziel gesetzt, dass mindestens die Hälfte aller Kinder, die an unseren Bildungsprogrammen teilnehmen, Mädchen sind.
6. Kinder werden zum Arbeiten gezwungen


Viele vertriebene Familien haben kein Einkommen und können es sich nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Häufig müssen die Kinder arbeiten, um ihre Familien mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Dingen versorgen zu können.
Wie Sie Kinderarbeit verhindern können!
In Syrien müssen drei von vier Kindern arbeiten, um ihre Familien zu unterstützen. In den Nachbarländern Jordanien und Libanon müssen mehr als die Hälfte aller syrischen Flüchtlingskinder arbeiten oder betteln. Die Jüngsten sind gerade einmal fünf Jahre alt.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir mehr Familien finanziell unterstützen und ihnen helfen, ihre Miete zu bezahlen, damit sie ihre Kinder zur Schule schicken können.
Außerdem bieten wir Bildung für Kinder an, damit sie nicht arbeiten müssen und nicht Opfer von Menschenhandel werden.
7. Kinder haben Schwierigkeiten, versäumte Schulzeit nachzuholen


Je länger Kinder nicht zur Schule gegangen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht mehr zurückgehen. Die schlechte finanzielle Situation der Eltern, ein anderer Lehrplan und eine fremde Sprache, ein langer Schulweg, fehlende Dokumente und Qualifikationen – all das können Gründe sein, warum vertriebene Kinder nicht zurück in die Schule gehen.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir dafür sorgen, dass mehr vertriebene Familien sich selbst ernähren können und die nötigen Dokumente besitzen.
Außerdem bieten wir spezielle Kurse an, in denen Kinder versäumten Lernstoff nachholen können, um anschließend wieder am normalen Unterricht teilnehmen zu können.
8. Jugendliche können ihre Fähigkeiten nicht nutzen


Vertriebene junge Menschen haben es schwerer als andere, eine Ausbildung zu bekommen. Weltweit haben insgesamt 34 Prozent der Jugendlichen Zugang zu einer Universität oder einer anderen höheren Ausbildung, während lediglich drei Prozent der Flüchtlinge diese Möglichkeit haben.
Die meisten Geflüchteten leben in armen Nachbarländern, die nicht in der Lage sind, allen Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Demzufolge sind sie von wichtigen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen und haben es schwer, sich in ihre lokale Gemeinde einzugliedern.
Viele verzweifelte Flüchtlinge sind gezwungen, auf der Suche nach einer sichereren und besseren Zukunft lebensgefährliche Reisen auf sich zu nehmen.
Was Sie tun können:
Gemeinsam können wir sicherstellen, dass mehr junge Menschen eine Schul- und Berufsausbildung erhalten, damit sie ihr Potenzial nutzen und finanziell unabhängig sein können.
Wir sorgen dafür, dass Jugendliche eine berufliche Ausbildung bekommen und die Möglichkeit haben, ein eigenes Unternehmen zu gründen.
9. Eltern stehen unter Druck


Das Leben als Vertriebene ist für viele Eltern eine große Belastung. Sie sind vielleicht alleinerziehend oder mit ihren Kindern allein auf der Flucht. Sie müssen sich an einem neuen Ort ohne Familie und Freunde um sich herum zurechtfinden. Und oft haben sie es schwer, Arbeit zu finden, um ihre Familie zu ernähren. Deshalb ist die Schule besonders wichtig.
Was Sie tun können:
Mit Ihrer Hilfe können wir mehr Lehrkräfte schulen, Schulen renovieren und neu bauen und sicherstellen, dass mehr vertriebene Familien ihre Kinder zur Schule schicken können. So können wir die Eltern entlasten und den Kindern einen sicheren Ort geben, wo sie lernen und Freundschaften schließen können.
10. Covid-19 betrifft die Schwächsten am stärksten


Seitdem die Coronavirus-Krise zur Schließung zahlreicher Schulen geführt hat, laufen vertriebene Kinder Gefahr, in Sachen Bildung noch weiter zurückzufallen, sofern wir sie nicht unterstützen. Vertriebene Familien leben häufig auf engstem Raum, in kleinen Wohnungen oder Zelten, und oft auch mit anderen Familien zusammen.
Oft müssen sie Wasser, Waschbecken und Toiletten mit anderen teilen. Strom und Internetzugang sind häufig begrenzt oder gar nicht vorhanden. Homeschooling ist unter diesen Umständen so gut wie unmöglich.
Darüber hinaus hat die Pandemie dazu geführt, dass viele weniger verdienen oder ihre Arbeit ganz verloren haben und viele vertriebene Familien können es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken.
Was Sie tun können:
Seit dem Ausbruch der Pandemie arbeiten wir rund um die Uhr, um das Recht auf Bildung für Kinder und Jugendliche zu sichern. Wir arbeiten mit Distanzlernen, um den Bedarf der Kinder zu decken. Wir benutzen Radio, Mobiltelefone und WhatsApp und telefonieren mit den Kindern, um ihnen zusätzliche Hilfestellung zu geben.
Außerdem sorgen wir dafür, dass Familien, die ihre Einkommensquelle verloren haben, ihre Kinder weiterhin zur Schule schicken können und dass die Kinder genug zu essen bekommen, damit sie genug Energie haben, sich im Unterricht zu konzentrieren. Mit Ihrer Unterstützung können wir noch mehr Menschen helfen.