Ukraine: Bericht von der Frontlinie
Gefangen in Luftschutzkellern

Immer mehr Menschen in der Ukraine sitzen in Städten fest, die unter ständigem Beschuss stehen und aus denen sie nicht evakuiert werden können. Unsere Kolleginnen und Kollegen tun ihr Bestes, um ihre eigenen Familien und andere Menschen in Not zu versorgen.
Darüber hinaus tun wir, was in unserer Macht steht, um unsere Nothilfemaßnahmen sowohl innerhalb der Ukraine als auch in den Nachbarländern zu erweitern.
„Unsere Mitarbeitenden in der Ostukraine haben viele Tage und Nächte in kalten, dunklen Luftschutzkellern ausgeharrt. Sie berichten uns, dass die örtlichen Geschäfte und Märkte leer sind, und dass Lebensmittel und Wasser knapp werden.“
Die Lage in der Ukraine ist extrem instabil und täglich werden weitere Opfer unter der Zivilbevölkerung gemeldet.
„Seit Beginn des Kriegs hat die Sicherheit unserer Mitarbeitenden höchste Priorität“, sagt Ana Povrzenic, Landesdirektorin von NRC Flüchtlingshilfe in der Ukraine.
„Man weiß nie, wo es als Nächstes einschlägt.“

Einige unserer Mitarbeitenden, die in die Westukraine versetzt wurden, berichten uns, dass die Lage dort stabiler und relativ sicher ist.
Es sind jedoch bereits einige Hundert Raketen in verschiedenen Teilen der Ukraine niedergegangen. „Man weiß man nie, wo es als Nächstes einschlägt“, sagen sie.
Selbst in den westlichen Regionen, wie etwa in Lwiw, Ternopil oder Iwano-Frankiwsk sind jeden Tag, meist morgens und spät abends, die Luftschutzsirenen zu hören.
Die Menschen konnten seit Beginn des Kriegs nicht mehr richtig schlafen und sind sowohl körperlich als auch seelisch völlig erschöpft.
„Millionen sind zur Flucht gezwungen“

Viele unserer Mitarbeitenden wurden aus Donezk und Luhansk vertrieben, als 2014 der Konflikt ausbrach. Nun wurden sie erneut zur Flucht gezwungen. Sie sorgen sich um ihre Familien und sind verunsichert, was die Zukunft angeht.
„Eine Kollegin erzählte uns, dass sie sich abermals verloren, zerrissen und ‚heimatlos’ fühle, nachdem sie nun zum zweiten Mal fliehen musste. Obwohl die selbst in Sicherheit ist, denkt sie pausenlos an ihre Familie und Freunde, die in Gebieten zurückgeblieben sind, in denen heftige Kämpfe stattfinden“, sagt Povrzenic.
„Eine Kollegin erzählte uns, dass sie sich abermals verloren, zerrissen und ‚heimatlos’ fühle, nachdem sie zum zweiten Mal fliehen musste.“
Einige unserer Mitarbeitenden kombinieren nun ihre tägliche Arbeit bei NRC Flüchtlingshilfe mit ehrenamtlichen Tätigkeiten in humanitären Hilfszentren in den Gebieten, in denen sie jetzt leben. Etwas zu tun, um andere zu unterstützen, hilft ihnen, mit ihren eigenen Sorgen besser zurechtzukommen.
„Der Zugang für humanitäre Hilfe und die sichere Evakuierung der Zivilbevölkerung ist dringend notwendig“

In den Gebieten, in denen Kämpfe stattfinden – etwa in Charkiw und im Donbass im Osten, Mariupol im Südosten, Cherson im Süden und in der Hauptstadt Kiew – ist der humanitäre Zugang und die sichere Evakuierung der Zivilbevölkerung dringend notwendig.
Der unablässige Beschuss hat die Infrastruktur empfindlich beschädigt und die Menschen von lebenswichtigen Dienstleistungen abgeschnitten. In den am stärksten betroffenen Gebieten wird die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Lebensmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln, Treibstoff und Bargeld sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung immer schlechter.
„Unsere Mitarbeitenden berichten, dass sie über die NRC-Hotline viele Anrufe bekommen, bei denen es um den Mangel an Lebensmitteln, Windeln und Wasser geht.“
„Unsere Teams entwickeln derzeit eine Nothilfestrategie“

Die Mitarbeitenden, die in sichere Gebiete versetzt wurden und ihre Arbeit wieder aufgenommen haben, haben nun ein Nothilfeteam gebildet.
Sie entwickeln derzeit Nothilfestrategien, um den am meisten gefährdeten Menschen zu helfen, die in den Konfliktgebieten bleiben und nicht evakuiert werden könne.
„Unser wichtigstes Ziel ist es, der Bevölkerung, die in den Städten im Osten gefangen ist, lebensrettende Hilfe zu leisten. Dafür brauchen wir eine Waffenstillstandsvereinbarung und eine sichere Durchfahrtstrecke für humanitäre Konvois. Wir werden auch Vertriebene unterstützen, die innerhalb der Ukraine auf der Flucht oder über die Grenze geflohen sind, sowie die Menschen, die vorübergehend im Westen des Landes Zuflucht gesucht haben“, sagt Povrzenic.
„Städte werden zu Verkehrsknotenpunkten“

Die Städte in der Westukraine wie Lwiw und Uschgorod sowie kleine Städte und Dörfer sind zu Knotenpunkten für Vertriebene geworden, die ins Ausland unterwegs sind. Sie dienen auch für Vertriebene, die im Land bleiben wollen, als Drehscheiben.
In Lwiw gibt es in der Nähe des Bahnhofs zahlreiche Hilfszelte, in denen Vertriebene Hilfe von NGOs und Freiwilligen erhalten können.
Die meisten Menschen werden an die Behörden vor Ort verwiesen, die ihnen dann Notunterkünfte und Lebensmittel zur Verfügung stellen.
Die Stadt ist überlaufen. Die Läden sind immer noch recht gut bestückt, aber gegen Nachmittag werden Brot und Fleisch knapp. Es mangelt auch an medizinischen Versorgungsgütern.
„Wir haben eine offene Hotline“

„Unsere Mitarbeitenden berichten, dass die Gemeinden vor Ort und die Freiwilligen gut organisiert sind und den Neuvertriebenen beim Decken ihres Grundbedarfs helfen. Einige Bedürfnisse sind jedoch schwieriger zu decken als andere. Zum Beispiel sind elektrische Heizgeräte gerade sehr schwer zu bekommen und die Preise sind gestiegen“, sagt Ganna Dudinska. Sie fährt fort:
„Wir haben kürzlich unsere Informationsdienste in der Ukraine wieder aufgenommen, einschließlich unserer Hotline und anderer Kommunikationskanäle. Wir unterstützen die Menschen beim Zugang zu Informationen über Ausweispapiere, Sozialversicherungsleistungen und Renten und beraten sie über Verfahren zum internationalen Grenzübertritt und Asyl.“
NRC Flüchtlingshilfe wird außerdem allgemeine Informationen über Logistik, Transport und die Verfügbarkeit von Unterkünften bereitstellen.
