Millionen von Hilfsgütern für Unterkünfte sowie Non-Food-Artikeln stecken in Jordanien, Ägypten und Israel fest und warten auf Genehmigungen. Währenddessen sind rund 260.000 palästinensische Familien, das entspricht fast 1,5 Millionen Menschen, zunehmend schlechteren Bedingungen ausgesetzt. Seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands am 10. Oktober haben die israelischen Behörden 23 Anträge von neun Hilfsorganisationen abgelehnt, dringend benötigte Hilfsgüter einzuführen. Darunter Zelte, Dichtungs- und Rahmenbausätze, Bettwäsche, Küchensets und Decken im Umfang von fast 4.000 Paletten. Humanitäre Organisationen warnen, dass sich das Zeitfenster für die Ausweitung der Winterhilfe schnell schließt.
„Wir haben nur sehr wenig Zeit, um Familien vor den Winterregenfällen und der Kälte zu schützen“, sagte Angelita Caredda, Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika beim Norwegian Refugee Council (NRC), welches das Shelter Cluster leitet. „Mehr als drei Wochen nach Beginn der Waffenruhe sollte Gaza eine große Menge an Materialien für Unterkünfte erhalten, aber bisher ist nur ein Bruchteil dessen angekommen, was benötigt wird. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln, um einen schnellen und ungehinderten Zugang zu gewährleisten.“
In 21 der 23 abgelehnten Anträge gaben die israelischen Behörden an, dass die antragstellenden Organisationen „nicht befugt seien, humanitäre Hilfe nach Gaza zu liefern“, darunter auch Organisationen, die in Israel gültig registriert sind. Selbst als autorisiert geltende Organisationen sehen sich mit langwierigen und undurchsichtigen Zollverfahren konfrontiert. Trotz Erfüllung aller Kriterien musste ein Mitglied des Shelter Clusters mehr als sieben Monate auf die erforderliche „Spendennummer“ der israelischen Behörden warten, die für die Zollabfertigung notwendig war.
Mehr als 282.000 Wohneinheiten wurden in ganz Gaza beschädigt oder zerstört. Dadurch bleiben viele Familien bei sinkenden Temperaturen ohne Schutz, Privatsphäre oder angemessene Unterkunft. Hilfsorganisationen betonen, dass grundlegende Baumaterialien für Unterkünfte nach wie vor unerlässlich sind, um Leben zu schützen, während längerfristige Wiederaufbaupläne entwickelt werden.
Selbst wenn Familien Unterstützung für Unterkünfte erhalten, ist es aufgrund des Ausmaßes der Zerstörung und der Gefahr durch nicht explodierte Sprengkörper schwierig für sie, einen sicheren Ort für die Errichtung eines Zeltes zu finden. Viele Familien leben in unsicheren Wohnverhältnissen und haben keinen verlässlichen Ort, an dem sie Unterkünfte errichten können, warnt die Housing, Land and Property Technical Working Group. Eine große Zahl von Vertriebenen ist von dem Verlust von Eigentumsnachweisen, Schwierigkeiten beim Zugang zu Dokumenten sowie anhaltenden Streitigkeiten über Besitzverhältnisse betroffen.
Frauen sind mit besonders großen Hindernissen konfrontiert. In einigen Gebieten haben bis zu 83 Prozent der Frauen ihre Eigentumsurkunden verloren. Bis zu 80 Prozent von ihnen geben an, bei dem Versuch, ihre Eigentumsrechte zurückzuerlangen oder zu behalten, diskriminiert worden zu sein.
Humanitäre Partner betonen zudem, dass dringend schwere Maschinen eingeführt werden müssen, um die Schätzungen zufolge 55 bis 60 Millionen Tonnen Trümmer zu beseitigen. Ohne Trümmerbeseitigung und sicheren Zugang sind selbst Notunterkünfte kaum zu errichten. Die Beseitigung explosiver Kriegstrümmer ist ebenfalls entscheidend, um den Menschen eine sichere Rückkehr in ihre Gemeinden zu ermöglichen.
„Keine Familie sollte den Winter im Freien verbringen müssen“, sagt Caredda. „Jeder Tag Verzögerung gefährdet Leben. Der Winter steht vor der Tür, und die Menschen in Gaza haben keine Zeit zu verlieren.“
Hinweise für die Redaktionen:
- Das von NRC geleitete Shelter Cluster in den besetzten palästinensischen Gebieten koordiniert die humanitären Hilfsmaßnahmen im Bereich Unterkunft und ermittelt die dringendsten Bedürfnisse vertriebener Familien.
- Die von NRC geleitete Housing, Land and Property Technical Working Group for Gaza unterstützt Organisationen bei Fragen zum Zugang zu Land, Landbesitz und Vertreibung. Diese Themen sind für sichere Unterkünfte und Wiederaufbaumaßnahmen von großer Bedeutung.
- Bis Juli 2025 wurden schätzungsweise 282.904 Wohneinheiten beschädigt oder zerstört (UNOSAT).
- Seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands am 10. Oktober haben die israelischen Behörden 23 Anträge von neun Hilfsorganisationen abgelehnt, dringend benötigte Hilfsgüter für Unterkünfte einzuführen. Dazu zählen Zelte, Dichtungs- und Rahmenbausätze, Bettwäsche, Küchensets und Decken im Umfang von 3.986 Paletten und 1.699 Tonnen. In 21 der 23 abgelehnten Anträge führten die israelischen Behörden an, dass die Organisationen „nicht befugt seien, humanitäre Hilfe nach Gaza zu liefern” (Mechanismus der Vereinten Nationen 2720 für Gaza).
- Mindestens 259.000 palästinensische Familien, mehr als 1,45 Millionen Menschen, benötigen dringend Hilfe bei der Unterbringung (Shelter Cluster).
- Die zwischen Mai und Juli 2025 durchgeführte Bewertung des Palestinian Housing Council (PHC) befragte Haushalte in Gaza-Stadt, Khan Yunis, Rafah und der Middle Area. Sie stellte einen weit verbreiteten Verlust von Eigentumsdokumenten und unsichere Besitzverhältnisse fest. In Khan Yunis und Rafah verloren bis zu 83 Prozent der Frauen ihre Eigentumsdokumente, und in Gaza-Stadt gaben 71 Prozent der Befragten an, ihre Dokumente verloren zu haben (Palestinian Housing Council).
- Dieselbe Bewertung des PHC ergab ein hohes Maß an geschlechtsspezifischen Hindernissen beim Zugang zu Wohnraum und Landrechten. Zwischen 48 und 80 Prozent der Frauen in den vier Gouvernements gaben an, bei dem Versuch, Eigentum zu beanspruchen oder zu behalten, diskriminiert oder behindert worden zu sein (Palestinian Housing Council).
- Schätzungsweise 55 bis 60 Millionen Tonnen Trümmer müssen in Gaza beseitigt werden (UNDP).
Für weitere Informationen oder um ein Interview zu vereinbaren, wenden Sie sich bitte an:
- Zoe-Marie Lodzik, Communication Adviser, NRC Deutschland: zoemarie.lodzik@nrc-hilft.de, +49 151 578 60663
- NRC Norwegian Refugee Council weltweite Medien-Hotline: media@nrc.no, +47 905 62 329
