„Wir wollen die Besten in Tillabéri werden"

Diese Geschichte handelt von einem Tag im Leben zweier junger Klempnerinnen in Niger.

An einem Morgen im Februar, kurz nach Sonnenaufgang, erwacht das Dorf zum Leben. Die Bauern bestellen ihre Felder, die Tiere grasen und die Menschen beginnen ihren Arbeitstag. Maimouna und Salamatou machen sich in Trainingsanzügen auf den Weg zu einer der Schulen von Tillabéri - ohne Schulranzen, aber mit einem Werkzeugkasten. Die Werkzeugkiste enthält Schraubenschlüssel, Zangen, einen Rohrschneider, ein Maßband und anderes Handwerkszeug.

Die Pumpen für die Schultoiletten sind seit mehreren Wochen defekt, und Maimouna und Salamatou wurden am Vortag vom Schulleiter zu Hilfe gerufen. Innerhalb weniger Stunden und mit vielen Drehungen an der Kurbel gelang es ihnen, die Wasserstelle wieder zum Laufen zu bringen.

Maimouna und Samalatou sind Klempnerinnen, zwei der wenigen nigrischen Frauen, die in diesem traditionell von Männern dominierten Beruf arbeiten. Ihren Stolz verbergen sie nicht.

„Dank meiner Arbeit als Klempnerin bin ich heute ein Vorbild in meiner Familie", erklärt die 19-jährige Salamatou. „Ich kann nicht nur für mich selbst sorgen, sondern auch meinen fünf Brüdern und meinen Eltern Essen kaufen."

Vor drei Jahren waren sie jedoch die Einzigen, die an ihren Traum, Klempnerinnen zu werden, glaubten. Ihre Berufswahl war von ihren jeweiligen Familien mit großer Skepsis aufgenommen worden.

„Als ich erfuhr, dass NRC Flüchtlingshilfe jungen Menschen die Möglichkeit bietet, im Berufsbildungszentrum einen Beruf zu erlernen, meldete ich mich für den Klempnerkurs an", erinnert sich die 21-jährige Maimouna.

Sie erklärt, dass diese überraschende Entscheidung ursprünglich strategisch begründet war: In ihrer Gemeinde gab es nämlich keine*n fachkundigen Klempner*in, so dass sie sich ganz natürlich für einen Beruf entschied, der zur Lösung der alltäglichen Probleme in ihrem Dorf beitragen würde.

„Zuerst haben meine Eltern das nicht verstanden. Sie schlugen mir vor, einen Beruf zu wählen, der nicht nur Männern vorbehalten ist. Ich blieb hartnäckig bei meiner Wahl. Letztendlich haben sie mich unterstützt. Ich habe mich vom ersten Moment an in die Klempnerarbeit verliebt - und ich liebe sie immer noch", sagt Salamatou mit einem breiten Lächeln.

Abbruch der Schulausbildung

Maimouna und Salamatou stammen aus Daykaina, einem Dorf in der Region Tillabéri. Beide brachen die Schule im Alter von 15 Jahren ab.

„Ich wollte die Schule nicht abbrechen, aber ich musste die vierte und fünfte Klasse mehrmals wiederholen, so dass ich von der öffentlichen Schule verwiesen wurde", sagt Maimouna. „Meine Eltern hatten nicht die finanziellen Mittel, um mich in einer neuen Schule anzumelden. Also blieb ich zwei Jahre lang zu Hause und half meiner Mutter bei der Hausarbeit.

Auch Salamatou musste wegen akademischer Schwierigkeiten aufgeben: „Ich habe dreimal erfolglos an den normalen Prüfungen teilgenommen und dann aufgegeben. Die formale Schule war nichts für mich.

„Heute bin ich dank des Klempnerhandwerks zu einem Vorbild in meiner Familie geworden. Ich kann nicht nur für mich selbst sorgen, sondern auch Lebensmittel für meine fünf Brüder und meine Eltern kaufen. Sie sind sehr stolz auf mich. Auch wenn es mit der formalen Schulbildung nicht geklappt hat, habe ich es geschafft, als Klempnerin ein Vorbild zu sein. Das gibt mir ein Gefühl von Stolz. Ich wünsche mir, dass unsere Gruppe eine eigene Werkstatt bekommt, und ich würde auch gerne Klempnerlehrerin im Berufsbildungszentrum werden." - Salamatou. Foto: Elizabeth Adewale/NRC.
„Ich liebe das Klempnern, weil es mich jeden Tag vor neue Herausforderungen stellt und mir die Möglichkeit gibt, etwas in meiner Gemeinde zu bewirken. Ob es darum geht, neue Fertigkeiten zu erlernen oder Probleme in meiner Gemeinde zu lösen, ich lerne immer dazu und treibe mich selbst an, eine bessere Klempnerin zu werden. Ich möchte besonders Mädchen dazu inspirieren, sich für diesen sehr spannenden Beruf zu interessieren. - Maimouna. Foto: Elizabeth Adewale/NRC.

Lernmöglichkeiten

NRC begann seine Interventionen in der Region Tillabéri im Jahr 2020, um auf die zunehmende humanitäre Krise in der grenzüberschreitenden Region Liptako Gourma (Niger, Burkina Faso und Mali) zu reagieren. Im Jahr 2021 befand sich mehr als die Hälfte der in Niger getöteten Zivilpersonen in Tillabéri, und die Zahl der dortigen Vertriebenen hat sich seit 2018 vervierfacht und wird im Jahr 2023 153.455 Binnenflüchtlinge betragen.

Die erste Aktion des NRC in der Region war der Ausbau des Berufsbildungszentrums mit neuen Lernräumen. Unser Schwerpunkt lag auch auf der Verstärkung des elektrischen Netzwerks, um mehr theoretische und praktische Ausbildung in handwerklichen Berufen für die Jugend von Tillabéri anzubieten. Im Rahmen des Berufsbildungsprogramms unterstützte NRC fast 200 junge Menschen aus Tillabéri im Alter von 15 bis 24 Jahren, darunter Maimouna und Salamatou, mit Kursen für Alphabetisierung, Unternehmergeist und Führungsqualitäten.

Nach zwei Jahren Ausbildung starteten sie ihre neue Karriere mit offensichtlichem Erfolg. Heute sind diese jungen Frauen nicht nur erfahrene Klempnerinnen, die in der Lage sind, Wasserzapfstellen zu bauen und zu reparieren, sondern sie sind auch mit Leidenschaft bei der Sache und verdienen zugleich ein gutes Einkommen.

„NRC hat mir dank dieser Ausbildung eine zweite Chance gegeben, ein Leben in Würde zu führen", sagt Salamatou.

Gründung der "Wafakaye"-Gruppe

„Nach unserer Ausbildung beschlossen wir, eine Gruppe zu gründen, zur besseren Zusammenarbeit und Dienstleistungen", erklärt Maimouna. „Wir nennen unser kleines Unternehmen 'Wafakaye', was in der Zarma-Sprache 'Verständnis' bedeutet."

Gemeinsam mit einer anderen Freundin, die ebenfalls eine Berufsausbildung absolviert hat, verwalten die jungen Frauen ihre Arbeit solidarisch, wodurch sie ihre Kapazitäten erhöhen und ihre Ersparnisse für neue Projekte zusammenlegen können. „Wir haben ein Sparkonto für unser Einkommen. Jede von uns zahlt die Hälfte ihres Einkommens auf das Sparkonto ein, und die andere Hälfte teilen wir gerecht auf, um unseren eigenen Bedarf zu decken." Die drei Gesellschafterinnen konnten bisher fast 100.000 CFA-Franken sparen, was etwa drei Monatsgehältern zum Mindestlohn in Niger entspricht.

„Wenn wir einen Auftrag haben, treffen wir uns, um den Preis und die Bedingungen für die Arbeit zu besprechen", erklärt Salamatou. „Wir teilen uns die Aufgaben so auf, dass wir die Bedürfnisse unserer Kund*innen so effizient wie möglich erfüllen können", fügt sie hinzu.

Die drei jungen Frauen hoffen, bald eine Werkstatt zu eröffnen und andere junge Frauen in der Gemeinde zu inspirieren, unkonventionelle Berufe wie den als Klempnerin in Betracht zu ziehen. Sie wissen, dass das Beispiel ihres Erfolgs der beste Weg ist, Vorurteile zu bekämpfen und anderen den Weg zu ebnen. Salamatou hofft, dass sie noch aktiver werden kann, um dieses Ziel zu erreichen.

„Ich würde gerne Klempnerin im Berufsbildungszentrum werden", sagt sie.

NRC-Generalsekretär Jan Egeland (Mitte), umgeben von Salamatou, Maimouna und Boursa, lobte bei einem Besuch im Januar 2023 den Mut, das Durchhaltevermögen und die Widerstandsfähigkeit der jungen Klempnerinnen. Foto: Elizabeth Adewale/NRC.