Ehsan Saeed Al-Aghbari ist Ende 50 und Vater von fünf Kindern. Er war früher als Bauarbeiter beschäftigt und verdiente genug Geld, um seine Familie versorgen zu können. All das änderte sich vor drei Jahren schlagartig.
Auf dem Heimweg im Distrikt Azal in Sana’a wurde er von einem Auto angefahren. Er wurde bewusstlos ins Krankenhaus gebracht.
Als Ehsan das Bewusstsein wiedererlangte, ging er wieder nach Hause. Die Verletzungen, die er bei dem Unfall davongetragen hatte, blieben jedoch. Zwei Jahre später konnte er immer noch nicht richtig laufen. Das bedeutet, er kann nicht arbeiten und seine Familie nicht versorgen. Er ist von humanitärer Hilfe und der Großzügigkeit anderer Menschen abhängig, um seine Familie zu ernähren.
„Ich bin behindert und kann nicht arbeiten“, sagt Ehsan. „Ich bin auf die Unterstützung durch NRC Flüchtlingshilfe und das angewiesen, was ich von großzügigen Menschen bekomme.“

Die Pandemie
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte Covid-19 am 11. März 2020 zur Pandemie. Während viele Länder auf der ganzen Welt darum kämpfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, hätte ein Ausbruch in einem kriegszerrütteten Land wie dem Jemen verheerende Folgen.
Behörden und humanitäre Organisationen ergreifen Maßnahmen, um eine weitere Katastrophe für die jemenitische Bevölkerung zu verhindern. Alle Flüge in den Jemen, einschließlich humanitärer Flüge, wurden bis aus Weiteres ausgesetzt, um die Infektionen unter Kontrolle zu bringen. Auch der Straßenverkehr im Jemen ist eingeschränkt und alle Schulen und Universitäten wurden geschlossen.
Als Ehsan von den eingeführten Maßnahmen hörte, machte er sich Sorgen, dass er keine Lebensmittelhilfe mehr erhalten würde.
„Normalerweise sind die Verteilstellen in den Schulen vor Ort überfüllt. Als ich hörte, dass die Behörden die Schulen geschlossen haben, hatte ich Angst, dass wir keine Lebensmittel mehr bekommen würden.“
„Meine Nachbarn erzählten mir, dass wir auch weiterhin Lebensmittel bekommen würden, allerdings mit Vorsichtsmaßnahmen, um die Menschen vor dem Coronavirus zu schützen. Ich glaubte aber nicht, dass das stimmte.“
Er wurde eines Besseren belehrt, als er sah, dass NRC Flüchtlingshilfe mit Unterstützung des Welternährungsprogramms in der Hauptstadt Sana’a Lebensmittelgutscheine verteilte.
Präventive Maßnahmen
„Als ich an der Verteilstelle ankam, um meinen Gutschein entgegenzunehmen, war dort alles sehr gut organisiert, sodass ich mich sicher fühlte. Am Eingangstor der Schule gab es Handdesinfektionsmittel und die Leute in der Schlange hielten Abstand.“

Als älterer Mann mit körperlicher Behinderung macht Ehsan sich Sorgen, was eine Ansteckung mit dem Virus für seine Gesundheit bedeuten würde. Aber er hat auch Angst, dass die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 seinen Zugang zu humanitärer Hilfe, die er braucht, um seine große Familie ernähren zu können, abschneiden könnten.
„Wir haben Angst vor dem Coronavirus, aber wir machen uns auch Sorgen, dass wir unsere Lebensmittelhilfe verlieren könnten“, sagt Ehsan. „Ich hoffe, dass NRC Flüchtlingshilfe uns weiterhin mit Lebensmitteln unterstützen wird, wenn Corona sich im Jemen ausbreitet.“
„Wenn das Coronavirus uns nicht tötet, werden wir in unseren Häusern verhungern. Millionen von Jemenitinnen und Jemeniten brauchen weiterhin Lebensmittelhilfe, wenn das Virus den Jemen befällt.“
Eine gefährdete Bevölkerung
Schätzungsweise 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung – 24 Millionen Menschen – benötigen irgendeine Form von humanitärer Hilfe oder humanitärem Schutz, darunter 14,3 Millionen mit akutem Bedarf, so das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).
Ehsan wurde nach seinem Unfall nicht angemessen medizinisch versorgt. Er glaubt nicht, dass das Gesundheitssystem im Jemen dafür gerüstet ist, Menschen mit Covid-19 zu behandeln.
„Präventive Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronavirus sind sehr wichtig, da das Gesundheitssystem im Jemen bereits zusammengebrochen ist. Ich hoffe, dass die Menschen sich an die Maßnahmen halten“, sagt Ehsan.
Die medizinische Versorgungslage ist angespannt, weil es weniger Gesundheitseinrichtungen gibt als früher. Es wird geschätzt, dass derzeit nur 51 Prozent der Gesundheitseinrichtungen im Jemen einsatzfähig sind. Andere sind laut WHO infolge des Krieges teilweise oder vollkommen zerstört.

Bedarf wird weiterhin gedeckt
Mohammed Al-Afeef überwacht die Verteilung der Lebensmittelgutscheine für NRC Flüchtlingshilfe in der Hauptstadt Sana’a.
„Wir haben am Eingangstor Handdesinfektionsmittel aufgestellt und sorgen dafür, dass die Menschen ihre Hände desinfizieren, wenn sie hier ankommen, um ihre Gutscheine entgegenzunehmen, und auch, wenn sie wieder gehen.
Wir achten auch darauf, dass zwischen den Menschen in der Schlange mindestens ein Meter Abstand eingehalten wird, wir teilen die Leute in kleinere Gruppen auf und wir strecken die Verteilung über mehrere Tage.
Wir haben an den Verteilstellen auch Poster aufgehängt, um die Menschen über das Coronavirus und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu informieren“, sagt Mohammed. „Die Verteilungen gehen gut und wie geplant vonstatten.“

Mohammed bestätigt, dass die Bedingungen für Vertriebene extrem schwierig sind, insbesondere die Familien, die komplett von Lebensmittelhilfe abhängig sind. Es ist entscheidend, dass wir unsere Arbeit fortsetzen, damit Ehsan und Tausende andere in dieser schwierigen Zeit überleben können.
Unterstützen Sie unsere Arbeit im Kampf gegen das Coronavirus.