Ukraine

Nachhaltige Hilfe im Winter

“Jedes Jahr brauchen wir mindestens drei Tonnen Kohle, um unser altes Haus warmzuhalten”, sagt Olha Ivanchenko, 41, sechsfache Mutter aus der Ostukraine. NRC Flüchtlingshilfe sucht derzeit nach nachhaltigeren Möglichkeiten, den vom Konflikt betroffenen Familien dabei zu helfen, die harten Wintermonate zu überstehen.

Olha lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf namens Nyzhnie in der ukrainischen Region Luhansk in der Nähe der sogenannten „Kontaktlinie“, die die staatlich kontrollierten Gebiete von den nicht staatlich kontrollierten Gebieten trennt. Die Familie hat mit den Heizkosten zu kämpfen.

„Es kostet etwa 6.000 UAH [umgerechnet ca. 225 Euro]. Das ist für eine große Familie mit einem Neugeborenen zu viel“, erklärt Olha. „Eins unserer Kinder hat eine Behinderung und braucht laufend teure Behandlungen.“

Konflikt und Kälte

Über fünf Millionen Menschen sind von dem bewaffneten Konflikt in der Ostukraine betroffen. Schätzungen zufolge brauchen 3,4 Millionen aufgrund von Beschuss, weitverbreiteter Minenkontamination, psychologischen Traumata und fehlender Grundversorgung humanitäre Hilfe und Schutz. Selbst nach fünf Jahren Konflikt ist keine Lösung in Sicht, die das Leid der Menschen beenden würde.

Die eisige Kälte, die während der strengen Winter in der Ukraine herrscht, verschärft die humanitäre Lage, die aufgrund von Einschränkungen des humanitären Zugangs und der eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten für Einwohner ohnehin schwierig ist.

Die Straße nach Popasna, eine Stadt in der Ostukraine. Die Temperaturen fallen hier oft bis auf -15 Grad. Foto: Ingebjørg Kårstad/NRC

Bei der Unterstützung im Winter durch Hilfsorganisationen wird in der Regel denjenigen Vorrang eingeräumt, die entlang der Kontaktlinie leben und anhaltenden Beschädigungen ihrer Häuser und der Infrastruktur ausgesetzt sind, und die erschwerten Zugang zu Märkten haben, um dort Brennstoffe und andere wichtige Güter zu kaufen. Wer sich keine höheren Nebenkosten leisten kann, ist gezwungen, Feuerholz zu sammeln – oft in Gebieten, die mit Minen kontaminiert sind.

Eine nachhaltigere Lösung

Zwischen 2014 und 2018 leistete das Team von NRC Flüchtlingshilfe in der Ukraine im Winter Unterstützung für die konfliktbetroffenen Menschen im Osten des Landes in Form von Kohle, Feuerholz, Briketts und Brikettpressen.

Im Jahr 2018 begannen wir mit einer Initiative zur „thermischen Verbesserung“. Diese beinhaltet umweltfreundlichere und nachhaltigere Lösungen (wie etwa Isolierung) zur dauerhaften Versorgung gefährdeter Familien mit Heizmaterial.

Nicholas Harcourt-Leftwich, Unterkunftsspezialist bei NRC Flüchtlingshilfe in der Ukraine, erklärt: “Durch die Verbesserungen der thermischen Eigenschaften dieser heruntergekommenen Gebäude werden nicht nur die Innentemperaturen erheblich verbessert, sondern auch die Energiekosten um 70-80 Prozent gesenkt. Das macht die Heizkosten im Winter deutlich günstiger, verringert Abhängigkeit, mindert die illegale Abholzung und trägt durch verringerte Haushaltsemissionen zum Schutz der Umwelt bei. Eine Investition, die heute mit langfristiger Perspektive getätigt wird, ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll.“

Warm bleiben und Geld sparen

Olha und ihr Mann Serhii spüren bereits die Vorteile dieses neuen Ansatzes.

„Anfang 2019 erhielten wir Unterstützung in Höhe von über 50.000 UAH [1870 Euro], um unser Haus zu isolieren. Ohne Hilfe von außen hätten wir das niemals schaffen können“, erklärt Serhii, 38. „Nun merken wir, dass die Temperatur im Haus bei 22 Grad bleibt, selbst wenn es draußen -10 oder -15 Grad kalt ist.

Serhii, 38, and  Olha, 41, bring up six children. They live in a small village of Nyzhnie along the contact line in Luhansk region. 
“In the beginning of 2019 we received assistance in insulation of the house for more than UAH 50,000 (USD 2,000). We would never have done this without external help. Now we notice that the temperature inside keeps up to 22 degrees Celsius even when it is 10-15 degrees below zero outside. We have significant savings in coal using only eight kilos a day. Moreover we permanently solved the problem with mold groving on walls which existed for several years,” says Serhii Ivanchenko, 38, Olha’s husband.
Photo: Violetta Shemet/The Norwegian Refugee Council (NRC)
Olha und ihr Mann Serhii spüren bereits die Vorteile ihrer neuen Wärmedämmung. „Nun merken wir, dass die Temperatur im Haus bei 22 Grad bleibt, selbst wenn es draußen -10 oder -15 Grad kalt ist“, erklärt Serhii. Foto: Violetta Shemet/NRC

„Wir konnten erhebliche Mengen an Kohle sparen, wir verbrauchen jetzt nur noch acht Kilo täglich. Außerdem konnten wir das Problem mit dem Schimmel an den Wänden dauerhaft lösen, das schon seit Jahren bestand.“

Mangelnde Finanzierung behindert Fortschritt

Leider sind Isolierungen eine kostspielige Angelegenheit, weshalb es schwierig ist, humanitäre Geber zu finden, die bereit sind, solche Maßnahmen zu finanzieren – und das trotz der Tatsache, dass eine solche Investition langfristig gesehen die Kosten für die Winterhilfe und das damit verbundene Abhängigkeitssyndrom drastisch reduziert.

In diesem Jahr wurde in den Ukraine Humanitarian Funding Priorities (Juli – Dezember 2019) der dringende Bedarf an Winterhilfe für 29.100 Familien (rund 70.000 Menschen) in den Gemeinden an der Kontaktlinie sowie etwa 57.000 gefährdeten Menschen, die unter katastrophalen Umständen in anderen Teilen der Ukraine leben, hervorgehoben.

Die Auswahl der am besten geeigneten Form der Unterstützung richtet sich nach dem Bedarf der jeweiligen Familie. Während es dringend notwendig ist, dauerhafte Lösungen für Vertriebene zu finden, ist die Winterhilfe für die betroffenen Menschen in der Ukraine nach wie vor lebensnotwendig.

Leider hat NRC Flüchtlingshilfe Ukraine für die Winterhilfe 2019 keine Mittel erhalten, trotz der Tatsache, dass der Bedarf nicht gesunken, sondern weiter angestiegen ist, und für viele konfliktbetroffene Ukrainerinnen und Ukrainer nach wie vor höchst akut ist.

NRC Flüchtlingshilfe Ukraine möchte nicht nur gefährdeten Familien die Wärmedämmung ihrer Häuser ermöglichen, sondern durch die Einbeziehung der Gemeinde sensibilisieren und Haushalte entlang der Kontaktlinie mit staatlich unterstützten Zuschüssen zur thermischen Verbesserung verbinden.

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