Syrienkrise: Inmitten von Covid-19 und Wirtschaftskollaps breitet sich Hunger aus

Veröffentlicht 01. Jul 2020
Internationale Organisationen fordern Brüsseler Konferenz auf, die Auswirkungen der Pandemie anzugehen

Das syrische Volk, das bereits fast ein ganzes Jahrzehnt Krieg und Vertreibung durchlitten hat, sieht sich nun mit einem beispiellosen Ausmaß an Hunger konfrontiert, das Millionen Menschen akut anfällig für Covid-19 macht. So warnten internationale Organisationen heute im Vorfeld einer wichtigen jährlichen Konferenz zur Krise.

Die durch Covid-19 bedingten Einschränkungen, der Zusammenbruch des syrischen Pfunds und die Vertreibung von Millionen von Menschen haben in Syrien zu einer nie da gewesenen Anzahl von Familien geführt, die nicht mehr in der Lage sind, sich zu ernähren oder genug Geld zu verdienen, um ihren Grundbedarf zu decken. Erschütternde 9,3 Millionen Syrerinnen und Syrer gehen hungrig zu Bett und mehr als 2 weitere Millionen sind von einem ähnlichen Schicksal bedroht. Die Anzahl der Menschen, die unter Ernährungsunsicherheit leiden, ist damit seit dem letzten Jahr auf 42 Prozent gestiegen.

Die Brüsseler Syrien-Konferenz, die am 30. Juni 2020 von der EU und den Vereinten Nationen veranstaltet wird, zielt darauf ab, Mittel zu beschaffen und sich auf politische Änderungen zu einigen, die Syrerinnen und Syrern innerhalb des Landes und in der Region helfen sollen. Die Organisationen NRC Flüchtlingshilfe, Oxfam, Humanity & Inclusion, CARE International, World Vision International, International Rescue Committee und Mercy Corps mahnen, dass viele Syrerinnen und Syrer, einschließlich derer, die als Flüchtlinge in der Region leben, an den Rand einer Hungernot gedrängt werden, sollten die bereitgestellten Mittel nicht erhöht und der humanitäre Zugang nicht verbessert werden. Der seit fast zehn Jahren andauernde Krieg hat Syrien in eine Spirale der Verzweiflung und des Elends gestürzt, die immer weiter abwärtsführt. Internationale Hilfe wird heute dringender denn je gebraucht.

Im Nordwesten steht der von der Türkei und Russland vermittelte Waffenstillstand vor einem trostlosen Schicksal: Seit Mai wird von Kämpfen und Luftangriffen berichtet. In den Gouvernements Idlib und Aleppo, Heimat von über vier Millionen Menschen, von denen viele bereits mehrere Male zur Flucht gezwungen waren, droht bei einem Ausbruch von Covid-19 eine Katastrophe. Viele leben in erbärmlichen, provisorischen und übervölkerten Lagern oder schlafen im Freien. Wasser ist ein knappes Gut und die medizinische und zivile Infrastruktur ist zerstört. In den letzten Wochen hat eine neue Gewaltwelle im Süden Idlibs Hunderte Familien gezwungen, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken und ihre Häuser und Zelte erneut zu verlassen.

Im Nordosten wurden vor über einem Monat die ersten Fälle von Covid-19 gemeldet. Die Besorgnis über die mangelnde Vorbereitung ist nach wie vor groß. Es fehlt an Kapazitäten zum Testen und weiterer medizinischer Ausrüstung. Die wichtigste Wasserpumpstation, die 460.000 Menschen versorgt, ist regelmäßig außer Betrieb. Wie auch im Nordwesten sind Präventionsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hier in den vielen überfüllten Lagern und inoffiziellen Siedlungen kaum durchführbar.

In den von der Regierung kontrollierten Gebieten wie auch in den Nachbarländern, in denen Geflüchtete leben, machen die Bedrohung durch Covid-19, ihre Arbeitsunfähigkeit und die taumelnde Wirtschaft in der Region die Situation für die Syrerinnen und Syrer schwieriger denn je.

Internationale Organisationen fordern die führenden Politiker der Welt auf, die finanzielle Unterstützung für die syrischen Binnenvertriebenen und Geflüchteten im Vergleich zu den vergangenen Jahren aufzustocken, um ihnen nicht nur das bloße Überleben zu sichern, sondern ihnen die Chance zu geben, ihr Leben in Sicherheit und Würde wieder aufzubauen. Wir fordern außerdem den UN-Sicherheitsrat auf, die Crossborder-Resolution zu grenzüberschreitender humanitärer Hilfe nach Nordwest-Syrien für weitere zwölf Monate zu verlängern und den Zugang nach Nordost-Syrien erneut freizugeben, um zu gewährleisten, dass Menschen in Not lebensrettende Unterstützung erhalten. Ein besserer Zugang zu Menschen in Not ist jetzt wichtiger denn je, damit die humanitäre Gemeinschaft Familien dabei helfen kann, die Pandemie und die Wirtschaftskrise, die das ganze Land heimsuchen, zu bewältigen.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Karl Schembri, karl.schembri@nrc.no / +962 7902 20159, oder media@nrc.no.