Seit 2015 ist die Al-Fajr Al-Jadeed-Schule das Zuhause von 51 vertriebenen Familien. Diese Familien waren zur Flucht gezwungen, als ihre Heimat zum Konfliktgebiet wurde. Die Schule bietet einen sicheren Zufluchtsort für die Familien. Aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Bildung versuchen die Behörden jedoch zunehmend, die Menschen wieder auszuquartieren – ohne jedoch eine sichere Alternative anbieten zu können.
Der Vater
Al-Raboui Adbu Saeed ist Mitte 50 und Vater von elf Kindern. Er stammt aus einer Gegend der Stadt Taiz, wo Hunderte Familien in inoffiziellen Siedlungen leben. Die Familien zählen zu einer ethnischen Minderheit namens Muhamasheen. Die Gruppe leidet seit Langem unter Diskriminierung, Armut und Ausgrenzung.
Al-Raboui war stolz auf sein altes Leben. Er war als Fahrer für eine Reinigungsfirma tätig und verdiente genug, um seine Familie mit allem Nötigen versorgen zu können. Er betrachtete sein Zuhause als sein Schloss. All das änderte sich schlagartig, als der Konflikt auf Taiz übergriff.
„Als die Kämpfe hier bei uns begannen, flohen wir sofort, weil jegliches Zögern Opfer unter der Zivilbevölkerung bedeutet hätte. Kämpfe machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kämpfern“, sagt Al-Raboui.

Al-Rabouis Familie und andere Mitglieder seiner Gemeinde fanden in einer 70 Kilometer entfernten Schule Zuflucht. Die Schule war in ein Lager für Vertriebene umfunktioniert worden. Al-Raboui sagt, dass sie dort sowohl von den Ortsansässigen als auch von den Behörden vor Ort freundlich empfangen wurden.
Nun verursacht die Überbelegung der wenigen verbleibenden Klassenräume jedoch Auseinandersetzungen zwischen den Vertriebenen, die dort leben, und den Lehrkräften und Eltern, die möchten, dass die Kinder weiter zur Schule gehen können.

Der Lehrer
Salah Alwan Al-Asbahi unterrichtet in der Schule Geschichte. Er bestätigt, dass die Vertriebenen für die Wiederaufnahme des normalen Unterrichts in der Schule das Haupthindernis sind.
„Wir brauchen einen Kompromiss, der eine alternative Unterkunft für die vertriebenen Familien bietet“, sagt Salah. „Das ist nötig, damit wir den Bildungsprozess auf angemessene Weise fortsetzen können.“
„Die vertriebenen Familien sind für uns Brüder und sie verdienen ein anständiges Leben, genau wie wir, aber wir möchten nicht, dass ihre Anwesenheit den Bildungsprozess beeinträchtigt“, fügt er hinzu.
Derzeit werden über 1.200 Schülerinnen und Schüler in nur 11 Klassenräumen im Schulgebäude unterrichtet. Viele andere sind weggegangen, um weiter entfernte Schulen zu besuchen.

Keine sicheren Alternativen
Um auf dieses Problem zu reagieren, stellten die lokalen Behörden den vertriebenen Familien alternatives Land zur Verfügung. Hier war es jedoch nicht sicher für sie.
„Wir nahmen zehn Zelte und stellten sie auf dem neuen Land auf“, erinnert sich Al-Raboui. „Dann kam der Landbesitzer und hielt uns auf.“
Al-Raboui wandte sich an den Leiter des Gebiets sowie an die Behörden. Es wurde ein Treffen für den nächsten Tag verabredet, um den Konflikt mit dem Besitzer zu klären. Das Treffen verlief jedoch ohne Erfolg und am Abend kehrten die Familien in die Schule zurück.
„Die Ortsansässigen und die lokalen Behörden verlangen, dass wir die Schule verlassen, weil sie sie brauchen. Das verstehen wir natürlich, aber wir können nicht in unsere Häuser zurück und wir wissen keinen anderen Ort, an dem wir sicher wären.“

Eine ungewisse Zukunft
Die vertriebenen Familien können nicht in ihre Häuser in Taiz zurück, weil dort nach wie vor Kämpfe ausgetragen werden, und sie haben sich gut an ihr neues Leben als Vertriebene angepasst. Es ergeben sich jedoch immer wieder neue Herausforderungen.
Der Vater und der Lehrer sind sich einig, dass Vertreibung Kinder nicht davon abhalten sollte, die Schule zu besuchen, aber dass auch jeder einen sicheren Platz zum Leben verdient.
„Es ist derzeit unmöglich, in unsere Häuser zurückzukehren. Wir sind bereit, die Schule zu verlassen, aber wir brauchen für uns und unsere Kinder einen sicheren Ort“, sagt Al-Raboui.
Der Konflikt im Jemen geht jetzt ins sechste Jahr. Es wird geschätzt, dass 3,6 Millionen Jemenitinnen und Jemeniten aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Schon zu Beginn des Konflikts war der Jemen das ärmste Land im Nahen Osten und sehr viele Zivilistinnen und Zivilisten haben nicht die Mittel, eine alternative Unterkunft zu finden oder in ein anderes Land zu reisen, um dort Zuflucht zu suchen. Es ist dringend notwendig, dass der Konflikt ein Ende findet, damit die Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren und die Kinder wieder in Frieden lernen können.
„Alles was wir wollen, ist in Frieden leben“, sagt Al-Raboui abschließend.