Khaled inspiziert sein Erntegut auf seinem Hof in Akkar. Der Libanon befindet sich in einer Nahrungsmittelkrise. Durch die Inflation sind Lebensmittel für viele Menschen unerschwinglich geworden, und die Landwirt*innen haben Mühe, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bild: Sherbel Dissi/NRC

Libanon: Schulden und Inflation verstärken die Ernährungsunsicherheit

Veröffentlicht 09. Aug. 2023
Die Inflation, die Dollarisierung der Lebensmittelpreise und die unzureichende humanitäre Hilfe tragen nach Angaben der NRC Flüchtlingshilfe zur Ernährungsunsicherheit im Libanon bei.

Aus neuen Daten der UNO und der Hilfsorganisationen geht hervor, dass 1,4 Millionen Menschen, darunter sowohl Libanes*innen als auch Flüchtlinge, in dem Land unter großer Ernährungsunsicherheit leiden. Unterernährung und unzureichender Nahrungsmittelkonsum sind weit verbreitet.

Maureen Philippon, NRC-Länderdirektorin im Libanon, erklärte: „Ein Viertel der libanesischen Bevölkerung befindet sich in einer ernsten Ernährungskrise, ein düsteres Zeichen für die herrschende Armut. Wir sind äußerst besorgt über den Dominoeffekt, der sich auf andere Lebensbereiche auswirkt, z. B. auf die Fähigkeit der Menschen, ihre Miete zu bezahlen oder ihre Kinder in der Schule zu halten. Die Kinder sind gezwungen, zu arbeiten, da ihre Familien einfach keine Alternativen mehr haben."

„Wir sehen, dass immer mehr Menschen, darunter auch Landwirt*innen, Geld leihen müssen, um etwas anzubauen oder um ihre Miete, Medikamente und Lebensmittel zu bezahlen. Die Menschen berichten, dass sie weniger essen und Abstriche bei der Qualität machen. Ich habe mit Menschen gesprochen, die mir erzählten, dass sie schon lange kein Fleisch mehr gegessen haben", fügte Philippon hinzu.

Die neuen Daten zeigen, dass über 800.000 Libanes*innen, 540.000 syrische-, und 65.000 palästinensische Flüchtlinge Schwierigkeiten haben, sich ausreichend zu ernähren. Neun von zehn Syrer*innen leben nach Angaben der UNO in extremer Armut.

Regierungsstatistiken zeigen, dass sich die durchschnittlichen Kosten für Lebensmittel, einschließlich Obst und Gemüse, in diesem Jahr fast verdreifacht haben. In der Hoffnung, die Hyperinflation zu stoppen, hat die Regierung Anfang des Jahres erlaubt, die Preise für lebenswichtige Güter in US-Dollar anzugeben.

„Wir leben von Lebensmittelspenden und haben uns nun daran gewöhnt", sagte Nadine, 44, Mutter von drei Kindern in Beirut. Sie fügt hinzu: „Wir können es uns nicht leisten, Gemüse zu kaufen. Es ist sehr schwierig für uns, Tomaten zu kaufen. So geht es uns allen."

Ali, 28, musste aufgrund der jahrelangen Krise und Wasserknappheit seine Ernte um 60 % reduzieren. Er setzt auf nachhaltige Methoden, um Kirschen und Aprikosen auf regengespeisten Hügeln in der Grenzstadt Arsal anzubauen.

„Wir haben aufgehört, Gemüse anzubauen, einfach weil es ein zu großer Verlust ist", erklärt er. „Es ist kostengünstiger, es direkt im Supermarkt zu kaufen. Ich musste die Produktion reduzieren und mich selbst versorgen. Ich baue jetzt nur noch eine kleine Menge an Gemüse an."

NRC arbeitet mit Landwirt*innen zusammen, um die lokale Produktion und Versorgung mit Obst und Gemüse zu fördern. Wir setzen uns für ein nachhaltiges Agrarsystem ein, das die lokale Produktion fördert und die Verfügbarkeit von erschwinglichen Lebensmitteln verbessert.

Hinweise an Redaktionen:

  • Fotos zur freien Verwendung können über diesen Link heruntergeladen werden.
  • Die Analyse der akuten Ernährungsunsicherheit im Libanon hat ergeben, dass sich 1,4 Menschen im Libanon, einschließlich der libanesischen und der Flüchtlingsbevölkerung, in der IPC-Phase 3 oder mehr befinden, was bedeutet, dass sie erhebliche Defizite bei der Nahrungsmittelversorgung haben, die sich in akuter Unterernährung bemerkbar machen.
  • Insgesamt 811.000 Libanes*innen (21 Prozent der ansässigen Bevölkerung), 540.000 syrische Flüchtlinge (36 Prozent der syrischen Flüchtlingsbevölkerung im Libanon), 54.000 PRL (30 Prozent der PRL im Libanon) und 11.000 PRS (35 Prozent der PRS im Libanon) befinden sich zwischen Mai und Oktober 2023 schätzungsweise in der IPC-Phase 3 (Krise) oder darüber.
  • NRC hat sich mit lokalen Organisationen zusammengeschlossen, um 120 Landwirt*innen bei der Anpassung nachhaltiger Anbaumethoden zu unterstützen.

 

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Ahmed Bayram, Medienberater des NRC für den Nahen Osten, +962 79 016 0147, ahmed.bayram@nrc.no